Das Glück des Narren.

[266] Es ist ein dummer Mensch gewesen, der Sultan trachtete, ihn reich zu machen. Eines Abends schickt er ihm einen Kuchen zum Geschenk, hinein in den Kuchen hatte er tausend gelbe Medžidjes gesteckt. Er nahm den Kuchen, legte ihn vor sich und steht und denkt: »Kuchen habe ich nie gegessen«; er sagt zu sich; »wozu also jetzt?« Er geht hinaus auf die Gasse, ruft einen Juden und sagt zum Juden: »Ich verkaufe dir einen Kuchen!« Der Jude geht hinauf, sieht sich den Kuchen an und kauft ihm denselben um 20 Piaster ab. Der Jude ging nach Hause, schnitt den Kuchen entzwei und fand drinnen eintausend gelbe Medžidjes.

Der Sultan erfuhr, dass er den Kuchen dem Juden verkauft hat. Eines andern Tages lässt der Sultan ausrufen, dass es verboten sei, dass jemand die Brücke überschreite, bevor der Mann, welcher dumm war, dieselbe überschritten hätte. Der Sultan warf mitten auf die Brücke ein Taschentuch voll von Geld. Es sollte der Narr die Brücke überschreiten. Während er den Fuss auf die Brücke setzt, sagt er zu sich selbst: »Täglich bin ich mit offenen Augen hinübergegangen und heute will ich mit geschlossenen Augen hinübergehen«, band die Augen zu und ging über die Brücke; jenes Geld fand ein anderer.

Der Sultan erfuhr, dass er die Brücke mit geschlossenen Augen überschritten hätte; er dachte daran, ihn in die Schatzkammer zu stecken: »Wenn er hinein in die Schatzkammer tritt, sieht er viel Geld und der Sinn[266] wird ihm voll werden und er wird nehmen, soviel er Lust hat.« Er trat hinein in die Schatzkammer, fasste den Kopf in die Fäuste und sagt: »Heute habe ich mit dem Sultan Schande erlitten, denn die Leute haben doch Gold hierher an diesen Ort geworfen und ich habe kein Gold – fünf Pfennige, mehr habe ich nicht«, und diese warf er hinein in die Schatzkammer und ging heraus, ohne was immer zu nehmen.

Der Sultan erfuhr, dass er fünf Pfennige in der Tasche hatte und dieselben hineinwarf, er erliess Befehl den Mann zu fassen und zu prügeln. Man begann ihn zu prügeln, er schrie: »Ich habe kein Geld mehr gehabt, bloss die fünf Pfennige.« Der Sultan sah, dass dies ein närrischer Mann sei, schenkte ihm eine kleine Börse mit Goldmünzen und er ging und warf sie in die Schatzkammer. Darauf nahm man ihn und steckte ihn in die Galeere, dass er dort bleibe, solange er am Leben wäre.

So ist das Glück des Narren und er weiss nicht es zu halten.

Zehn wurden geboren und fünfzig starben.

Quelle:
Jarník, J. U.: Albanesische Märchen und Schwänke. In: Zeitschrift für Volkskunde in Sage und Mär [...] 2 (1890). Leipzig: Frankenstein und Wagner, S. 266-267.
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