Figuli.

[91] Lass die Bescheidenheit dein Leitseil werden,

Denn nichts ist schöner als Bescheidenheit.

Es kommt, das merke dir, der Unbescheid'ne

In dieser und in jener Welt nicht weit.


O Herzensvogel, flatt're in den Lüften

Nicht planlos – halt' dich an des Fürsten Hand.

Ein Falke, der zu hoch fliegt, ist im Leben

Nicht brauchbar, wird zum Jagen nicht verwandt.


Verlange Schätze nur von Gott dem Herren,

Er hat der Vorratskammern reich und viel.

Und wird auch nur ein Tropfen dir zu eigen

Das ist genug, – 's ist ewig ohne Ziel.


Auf wem des Glückes Vogel einst gerastet,

Durchfliegt, selbst flügellos, des Äthers Raum.

Doch wem des Unglücks schwarzes Loos gefallen,

Die eig'ne Hand erheben kann er kaum.
[91]

Sei unterthänig stets zu deinen Brüdern

Und schaffe dir ein reuevoll Gemüth.

Der Ärmste, der an Goldeshunger leidet,

Isst nie sich satt, wie er sich quält und müht.


Figuli, nur der Freundschaft sollst du leben!

Ihr rede stets in dieser Welt das Wort.

Im freundschaftslosen Herzen haust der Winter,

Nie scheint des Sommers güt'ge Sonne dort.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 91-92.
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