III
Die Alte und der Fuchs.1

[181] Es war einmal eine alte Frau, die hatte eine Tochter und eine Eselin. Jeden Tag schickte sie ihre Eselin auf die Weide. Aber immer kam ein Fuchs und ritt auf dem Rücken derselben vom Morgen bis zum Abend und liess sie nicht weiden. Wenn sie dann nach Hause kam, war sie abgemattet. Da fragte die Alte den Hirten: »Warum ist meine Eselin immer abgemattet,[181] wenn sie nach Hause kommt?« »Was soll ich thun?« erwiderte er, »Tag für Tag kommt ein Fuchs, reitet vom Morgen bis zum Abend auf ihrem Rücken und lässt sie nicht weiden.« Da machte die Alte einen Sattel aus Pech, legte ihn auf den Rücken der Eselin und liess sie so auf die Weide gehen. Als der Fuchs dann kam und sich auf ihren Rücken setzte, sagte er: »Ei! nun habe ich ein feines Plätzchen.« Als aber die Sonne zu glühen anfing, schmolz das Pech, und der Hintere des Fuchses klebte am Peche fest. Nachher wollte er von der Eselin herunter, konnte aber nicht. »Nimm mich um Gottes willen von der Eselin herab«, bat er den Hirten; »ein andermal komme ich nicht mehr her, um auf ihr zu reiten.« »Gedulde dich«, sagte der Hirt, »bis wir zur Mitte des Weges kommen, dann nehme ich dich herunter.« Und so brachte er ihn nach Hause. Nun kam die Alte und nahm einen Stock, und ihre Tochter nahm auch einen Stock, und sie fielen über den Fuchs her: tip! und wieder tip! bis sie ihn förmlich zermalmten. Da bat er die Alte: »Sei so gut, Mütterchen, steck mich nur nicht in den Rosinenbehälter.« »Und wenn du im Rosinenbehälter krepieren solltest«, sagte sie, »steck ich dich doch hinein«, und steckte ihn in den Rosinenbehälter. Nun frass er und sch ..., frass und sch ..., bis die Rosinen zu Ende waren.

Die Tochter der Alten sprach zu ihrer Mutter: »Ich gehe hin, um mir ein bisschen Rosinen zu holen.« Als sie nun hinging und ihre Hand in den Behälter steckte, griff sie in den Koth des Füchsleins. »Der Fuchs hat alle Rosinen aufgefressen«, erzählte sie der Mutter. Nun machten sie sich an den Fuchs und gaben ihm eine tüchtige Tracht Prügel. Da bat er wieder: »Sei so gut, Alte, steck mich nicht in den Hühnerstall!« »Und wenn du krepieren solltest, thue ich dich gerade in den Hühnerstall«, sagte sie und steckte ihn hinein. Er begann nun die Hühner zu töten, und der Hahn rief immer Qir! Aber die Alte sagte immer: »Ah! blauer Hahn! Ah! blauer Hahn, stich dem Fuchs die Augen aus!« Als er alle Hühner[182] getötet hatte, packte er auch den blauen Hahn und fricassierte ihn.

Die Alte stand früh auf und öffnete die Thüre des Stalles. Dabei schlich sich der Fuchs heraus und lief davon. So hatte er die Alte um die Rosinen und die Hühner gebracht und sich dann aus dem Staube gemacht.

1

Im Texte; »Geschichte einer Alten«.

Quelle:
Lidzbarski, Mark (Hg.): Geschichten und Lieder aus den neuaramäischen Handschriften. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1896, S. 181-183.
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