[369] Ich bin augenblicklich nicht im Stande die ursprünglichen Worte und die Musik dieses kleinen eigenthümlichen calicutschen Liedes anzugeben. Es ist wahrscheinlich portugiesischen Ursprungs oder stammt von den syrischen Christen welche sich in den frühesten Jahrhunderten an jener Küste niederließen.
Ein- oder mehrstimmig.
1) Das Schiff schaukelt in dunkler Nacht auf und nieder. Der Himmel ist kaum bemerkbar, und die Matrosen können nicht die Hand vor den Augen sehen. Da fängt es an zu regnen.
2) Nun herrscht Dunkelheit. Es blitzt, und sparsam fließt der Regen. Die Blitzstrahlen aber sind zwei Ellen lang, und es scheint, als fielen sie in die See.
3) Der Kapitain sieht nach Land aus und beschattet mit der Hand seine Augen. »Es ist möglich, daß sich dort Land zeigt.« Die Matrosen fragen ihn: »Was siehst Du?« Er antwortet: »Weit von hier einen Dschungel. In einem Baume wiegt sich eine alte Aeffin, die hält zwei kleine Affen im Arme. Wir müssen nah am Lande sein.«
4) Wieder blickt der Kapitain aus. Die Matrosen fragen ihn: »Was siehst Du?« Er antwortet: »Am Ufer dort geht ein kleines, hübsches Mädchen. Sie trägt einen Krug auf dem Kopfe, und wie sie so dahin geht, hüpft, läuft und tanzt sie. Wir müssen nah am Lande sein.«
5) Der Sturm fängt an aufs neue zu toben und verbirgt das Land. Endlich klärt sich das Wetter ein wenig auf. Die Matrosen fragen den Kapitain: »Was siehst Du?« »Ich sehe einen Mann, der pflügt, und zwei Stiere ziehen den Pflug. Wir müssen nah am Lande sein.« Und so ist es; sie haben das Ufer erreicht.
[369] Ein- oder mehrstimmig.
1) Das Schiff auf der See
Wohin steuert es?
Heimwärts zum Land.
Welche Ladung trägt es?
Das Schiff bringt das Sacrament und Rosenkränze.
2) Das Schiff auf der See,
Wohin steuert es?
Heimwärts zum Land.
Welche Ladung trägt es?
Das Schiff bringt weiß Papier und Rosenkränze.
3) Das Schiff segelt heimwärts,
Welche Ladung trägt es?
Silbergeld, Propheten und Heilige.
4) Das Schiff segelt heimwärts,
Wer bringt es uns?
Alle gesegneten Leute, dazu Jesus Christus aus Nazareth.
5) Das Schiff naht sich unsrer Thür,
Wer geleitet es heimwärts?
Unser Heiland segne das Schiff und schenke ihm eine sichere Heimkehr.
Das zweite Lied von der kleinen Frau, die auf ihres Mannes Rückkehr wartet, hatte Anna fast ganz vergessen. Es war ihrer Meinung nach der sehr niedliche Gesang einer kleinen[370] Frau, welche sich, ihrem heimkehrenden Manne zu gefallen, mit Juwelen schmückt. Sie beklagt seine Abwesenheit, fürchtet, er habe sie vergessen und trauert über ihre Einsamkeit.
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