Die gespenstische Füchsin.

[375] Es war einmal ein Prinz, der noch jung war und sich zu vermählen wünschte. So sehr er aber auch sich nach einer Lebensgefährtin umschauete, er fand kein Mädchen in der ganzen Umgegend, das ihm schön genug war, und so waren einige Jahre vergangen, ohne daß er sich zu einem Ehebündniß hatte entschließen können.

Als er nun eines Tages auszog, und ihn in seinem prächtigen Kago, seinem von acht Dienern getragenen Tragkorbe, ein glänzendes,[375] zahlreiches Gefolge geleitete, begegnete ihm ein anderer Zug, der ebenso lang und ebenso prachtvoll war, wie der seinige. Verwundert blickte er auf den Kago, welchen das ihm entgegen kommende Gefolge eskortirte, und da gewahrte er eine wunderschöne junge Dame, die, als sein Auge auf sie fiel, ihr Antlitz rasch hinter ihren Fächer verbarg. Sie war aber so schön, daß der Prinz sich augenblicklich in sie verliebte und einen Cavalier seines Gefolges absandte, der sie um eine Unterredung bitten sollte. Diese Bitte wurde gewährt, und der Prinz fand die Dame ebenso anmuthig und unterhaltend als schön und beschloß daher ohne Zögern, ihr seine Hand anzutragen. Zunächst fragte er nach ihrer Herkunft und Familie; sie entgegnete, sie sei aus einem vornehmen Hause, nannte aber als ihren Vater einen hochgestellten Adligen am Hofe eines Fürsten, dessen Herrschaft im allerentferntesten Theile des Landes belegen war. Sie habe jedoch, so sagte die junge Dame ferner, nahe Verwandte in einer anderen Provinz, zu welcher der Weg durch die Besitzungen des jungen Fürsten führte, und sie müsse diese besuchen, weil dort ein bedenklicher Krankheitsfall in der Familie vorgekommen sei. Der Prinz war aber schon so sehr von Leidenschaft ergriffen, daß er den Gedanken nicht ertragen konnte, die Schöne nochmals in weite Ferne ziehen zu sehen, und so entschloß er sich, sie zu bitten, gleich bei ihm zu bleiben und seine Gemahlin zu werden. Die Dame machte zwar noch einige Einwendungen und wollte die Sache von der Einwilligung ihres Vaters abhängig machen; allein der Prinz rechnete ihr vor, wie lange Zeit darüber verstreichen würde, bis ein Bote den weiten Weg zweimal zurückgelegt hätte, und so gab sie endlich seinem Ungestüm nach und willigte in die Vermählung.

Der Prinz widmete sich nun, wie erklärlich, ganz und gar seiner jungen Frau. Jede Stunde, die er nicht seinen Geschäften oder der Jagd und anderen ritterlichen Uebungen zu widmen hatte, brachte er bei ihr zu und fand stets die vollste Befriedigung an ihrer Unterhaltung.[376]

Einstmals trat er – es war an einem warmen Sommertage – unvermuthet in ihr Gemach. Er war sehr verwundert, als er sie nicht traf, da er wußte, daß sie sonst stets um diese Zeit in ihrem Zimmer der Ruhe pflegte; noch mehr erstaunte er aber, als er auf einem kostbaren Kissen, das mit den in Japan sehr beliebten Chrysanthemum-Blumen oder Kiku reich verziert war, einen großen Fuchs schlafend erblickte. Leise trat er zurück, holte seinen Bogen und schoß auf den Fuchs. Auch traf er ihn richtig, und zwar mitten auf die Stirn, allein der Pfeil war zu eilig abgeschossen und hatte nicht die Kraft, durch den Knochen zu dringen, sondern prallte von demselben ab. Der Fuchs entsprang und entschlüpfte in ein Dickicht des fürstlichen Parkes, in dem man ihn nicht aufzufinden vermochte, obwohl der Prinz bis zum späten Abend ihm nachspürte.

Als er nun aber ins Haus zurückkehrte, bemerkte er, wie seine geliebte Frau eine Wunde an der Stirn hatte, und sonderbarer Weise genau an der Stelle, welche derjenigen entsprach, an welcher der Fuchs von ihm getroffen war. Er stutzte; auf der anderen Seite aber bedachte er, das könne doch auch blos ein Zufall sein. Ein Fuchs, der in den Dickichten des Parkes sich herumgetrieben, könne sehr wohl in die Nähe des Hauses gerathen sein und sich dann auf den Kikublumen, welche die Füchse sehr lieben, haben ausruhen wollen. Er fragte daher seine Gemahlin ganz ruhig und ohne jeden bösen Verdacht, woher ihre Wunde auf der Stirn rühre. Da aber ward die sonst so sanfte Frau von einer wahren Wuth ergriffen; ihre Augen funkelten unheimlich, und wilde Rachsucht schoß aus ihren Blicken. Von der Veranlassung ihrer Verwundung wußte sie keine gehörige Auskunft zu geben, und so sah der Prinz wohl ein, daß er von einem bösen Zauber umstrickt gewesen sein müsse, und daß seine Gattin doch wohl nichts anderes als jener Fuchs sei. Sofort rief er seine Wache herbei und ließ das vermeintliche Weib ergreifen und einkerkern. Dann schickte er zu einem Priester, der in dem Rufe stand, in allerlei Beschwörungen böser Geister und in Entzauberungen wohl erfahren[377] zu sein, und kaum hatte dieser seine Räucherungen und Gebete begonnen, so verschwand auch der Spuk, und statt der schönen Frau zeigte sich vor Aller Augen derselbe große Fuchs, welchem der Prinz die Schußwunde am Kopfe beigebracht hatte. Nun aber war noch große Vorsicht nöthig, damit nicht, wenn man den Fuchs tödtete, sein Geist noch größeren Schaden stiftete, als das Thier es bisher durch seine Zauberkünste vermocht, und so ward das unheimliche Geschöpf unter Anleitung des Priesters in einem dicht verschlossenen Raume zu Asche verbrannt und diese in fließendes Wasser gestreut. Danach wurde niemals wieder etwas von ihm gehört.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 375-378.
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