Der Schuldner als Hund.

[396] Einstmals war ein Mann einem seiner Nachbaren eine nicht ganz unbeträchtliche Summe Geldes schuldig, um welche der Gläubiger, der sich keineswegs in guten Vermögensverhältnissen befand, ihn oftmals vergebens gemahnt hatte. Da starb der Schuldner, und nun meinte der Andere, die Erben, welche von der Schuld volle Kenntniß hatten, ja oft Zeugen davon gewesen waren, wie er den Verstorbenen gemahnt hatte, würden nach Recht und Pflicht das Geld ihm wiedergeben. Indessen thaten sie nichts der Art, und der Schuldner mußte sich bekümmerten Herzens in den Verlust fügen.

Kurze Zeit danach kam ein sehr nettes Hündchen zu ihm; es schmeichelte ihm sehr, wedelte mit dem Schweife und war sichtlich bemüht, ihn um Aufnahme zu bitten. Dem Manne gefiel der kleine Hund nicht nur, sondern er fühlte auch Mitleid mit dem verlassenen Thiere, so daß er ihn in sein Haus nahm, so schwer es ihm auch ward, in den engen Räumen, die ihm zu Gebote standen, den Hund unterzubringen. Nun aber ereignete es sich nicht lange nachher, daß ein Räuber in das Haus einbrach. Schon hatte er sich der Barschaft des Mannes bemächtigt, als der Hund sich wüthend auf ihn stürzte, durch lautes und anhaltendes Gebell seinen Herren und die nächsten Nachbaren weckte und, während diese herzueilten, seiner Kleinheit ungeachtet den Räuber so fest zu halten wußte, daß man ihn ergreifen und ihm seinen Raub wieder abnehmen konnte. Sehr bald darauf verschwand der Hund spurlos, und nun erst wurde es seinem Herren klar, daß derselbe Niemand anders als der[396] Geist seines Schuldners gewesen sei, der eigens gekommen war, um seine Schuld abzutragen. Das hatte er nun redlich gethan, denn die Summe, welche man dem Räuber wieder abgenommen, welche der Hund ihm also gerettet hatte, war genau so groß, wie die unerledigte Schuld sammt ihren Zinsen. Als daher der Geist des Verstorbenen auf diese Weise seinen Verpflichtungen nachgekommen war, hatte er Ruhe und war und blieb verschwunden.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 396-397.
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