40. Der Wolf, der Bär, der Fuchs und der Esel

[164] Ein Wolf, ein Bar und ein Fuchs hatten Freundschaft geschlossen. Eines Tages erfuhren sie, daß an einem gewissen Ort ein Esel wäre und beschlossen, ihn mit List herbeizulocken, um ihn aufzuessen. Darum suchten sie ihn auf und versprachen ihm, sie wollten ihm zur Erntezeit sechs Pud Gerste geben, wenn er sich jetzt von ihnen fressen lasse.

»Gut,« sagte der Esel, »ich bin's zufrieden, aber ihr dürft mich nicht anlügen und müßt mir gewiß meine Gerste geben, wenn die Zeit kommt.«

Vor der Fuchshöhle brachten sie den Esel um und der Fuchs ging mit dem Bären an den Fluß, um das Herz und die Lungen zu waschen. Der Wolf blieb zurück.

»Weißt du was?« sagte der Fuchs zum Bären, »wir essen jetzt das Herz und die Lungen, und wenn der Wolf fragt, was wir damit getan haben, dann sagst du nichts und schaust nur mich an, ich werde schon antworten.«[164]

Sie aßen also Herz und Lungen auf und kehrten dann zum Wolfe zurück.

»Wo ist denn das Herz? Und wo sind die Lungen?« frug der Wolf. Der Bär aber schwieg still und schaute den Fuchs an, wie es abgemacht war.

»Jetzt seht nur den unverschämten Kerl an,« sagte der Fuchs, »selber hat er alles aufgegessen, und jetzt steht er da und schaut mich an, als ob ich ...«

Kaum hatte der Wolf das gehört, als er sich auch schon auf den Bären stürzte. Der rannte davon und der Wolf hinterdrein. Der Fuchs aber schleppte den ganzen Esel in seine Höhle.

Nach einer Zeit kamen Wolf und Bär wieder und wollten ihren Teil vom Esel haben. »Nichts da,« sagte der Fuchs, »jetzt habt ihr euch gestritten und wahrscheinlich abgemacht, daß ihr mir die Gerste nicht geben wollt. Packt euch!«

Betrübt zogen Wolf und Bär ab, weil sie der Fuchs so elend betrogen hatte und sie gar nichts dagegen machen konnten.

Quelle:
Dirr, A.: Kaukasische Maerchen.Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 164-165.
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