Vorwort.

Aus meinem gleichzeitig in demselben Verlag erschienenen grösseren Werke: »Mongolische Märchen-Sammlung. Die neun Märchen des Siddhi-K ýr nach der ausführlicheren Redaction und die Geschichte des Ardschi-Bordschi Chân. Mongolisch mit deutscher Übersetzung und kritischen Anmerkungen. 8° (XVI, 256 S.). Innsbruck 1868« wird hier einem grösseren Publicum und dem Kreise derjenigen, welche sich mit Sagen- und Märchenforschung abgeben, ohne gerade an der sprachlichen Seite Antheil zu nehmen, die deutsche Übersetzung in besonderem Abdrucke geboten. Es bildet die hier gebotene Sammlung zum Theil einen Nachtrag zu den von mir 1866 herausgegebenen Märchen des Siddhi-K ýr (Kalmükische Märchen. Die Märchen des Siddhi-K ýr oder Erzählungen eines verzauberten Todten. Ein Beitrag zur Sagenkunde auf buddhistischem Gebiet. Aus[5] dem Kalmükischen übersetzt. Leipzig 1866. F.A. Brockhaus), zum Theil enthält sie einen weiteren Sagen-Cyclus, die sog. »Geschichte des Ardschi-Bordschi Chân«, aus welcher ich die hier S. 111–118 sich findende Episode: »der falsche Eid« als Probe mongolisch und deutsch bereits 1867 herausgegeben habe. Das Nähere wolle man aus der nachfolgenden Einleitung ersehen, und ebenso erlaube ich mir im allgemeinen auf das im Vorwort zu den »Kalmükischen Märchen« Gesagte zu verweisen.

Herzlichen Dank sage ich allen denen, welche der »Kalmükischen Märchen« sowie der Episode aus Ardschi-Bordschi in ihren Anzeigen so wohlwollend gedacht haben, den Herren Benfey, Comparetti, von der Gabelentz, Ang. de Gubernatis, Kuhn, Schott u.a.; insbesondere aber gebührt dieser Dank im vollsten Masse dem genauesten Kenner aller Märchen, Erzählungen, Sagen, Sitten und Sprüche, dem unermüdlichen, unübertroffenen Forscher auf diesem Gebiete, Felix Liebrecht in Lüttich, der durch seine gehaltvollen Anzeigen und Nachweise des Ähnlichen in andern Sagenkreisen (s. namentlich Heidelberger Jahrbücher 1866. No. 55. S. 865–873. No. 59. S. 934–937) die wertvollsten Beiträge zum bessern Verständniss unserer Erzählungen geliefert hat.[6]

Zum leichteren Verständniss einzelner Stellen sind auf S. 120–130 die unentbehrlichsten Erläuterungen beigefügt worden.

Die Vergleichung des in beiden Sammlungen niedergelegten Sagenstoffes mit andern Märchenkreisen glaubte ich, einige gelegentliche Hinweisungen in den Anmerkungen abgerechnet, auch diesmal bewährteren Forschern auf diesem Gebiete überlassen zu müssen.

Bei der Übersetzung habe ich, nach den gleichen Grundsätzen wie beim Siddhi-K ýr (grössere Ausgabe S. XIV, »Kalm. Märchen« S. VI), mich möglichst eng an das Original angeschlossen und das ursprüngliche Colorit, so weit es mit dem Genius der deutschen Sprache vereinbar schien, beizubehalten gesucht. Die Mühe, eine lesbare und doch treue Übersetzung herzustellen, ist, wie die Kenner wissen, wahrlich keine geringe. Vieles muss man auch so zu sagen zwischen den Zeilen lesen und oft ist man genöthigt dem Verständnisse durch Combination nachzuhelfen; auch mit der Logik darf man es nicht immer so genau nehmen. Es ist auch diesmal eine unverhältnissmässige Zeit aufgewendet worden, um die ungelenke und spröde Masse der Urschrift nur einigermassen geschmeidig und für uns geniessbar zu machen. Die wohlwollenden früheren Beurtheilungen nach dieser[7] Seite hin haben mich sehr beruhigt. Wie weit ich aber vom erstrebten Ziele noch entfernt bin, fühle ich nur zu sehr.

So möge denn auch diese Sammlung der Erzeugnisse indischen Geistes, die in den hochasiatischen Steppen eine so merkwürdige Umbildung erfahren, dass man sie oft kaum wiederzuerkennen vermag, eine freundliche Aufnahme finden!


Vivite felices, memores et vivite nostri,

Sive erimus, seu nos fata fuisse volent.


Innsbruck am 20. August 1868.


Bernh. Jülg.

Quelle:
Jülg, Bernhard: Mongolische Märchen. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Universitäts-Buchhandlung, 1868, S. III3-VIII8.
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