3. Wie Eulenspiegel des Königs Wams anzog

[219] Towo nahm zu an Größe, Untugenden und Ungezogenheiten; seine Eltern vermochten ihn nicht zu bessern. Er war übermütig geworden, weil ihm der König Reis, Fleisch, Kleider und eine Maultrommel geschenkt hatte. Deshalb ging er auch nicht mehr aus dem Palaste heraus und gewann dabei doch die Liebe und Zuneigung des Königs und der Hofleute. Sie mochten den Towo leiden, denn er war nicht verlegen, sondern gesprächig und fragte nach allem, was er noch nicht kannte. Mit der Zeit wurde Towo unter das Hofgesinde eingereiht; er wurde in dem Benehmen, Tun und der Sprechweise unterwiesen. Und war schließlich um nichts mehr verlegen. Eines Tages plauderte Towo mit den Prinzessinnen, und die [219] Prinzessinnen sagten: »Also, Towo, wenn der König dich wirklich gern hat, dann lege doch einmal sein Wams an und gehe darin draußen auf und ab.« Towo erwiderte: »Schön, dann müßt ihr aber auch bestimmen, worum wir wetten wollen.« Die Prinzessinnen antworteten: »Du sollst die Prinzessin Wulangkau zur Frau bekommen, wenn der König dir nicht gram wird, weil du sein Wams anlegtest.« Towo versetzte: »Gut, wenn aber die Angelegenheit zwischen mir und Wulangkau nicht zustande kommt, dann schlage ich euch die Knochen im Leibe entzwei.« Die Prinzessinnen antworteten: »Jawohl!« Darauf schlich Towo ganz leise in den Palast und die Treppe hinauf und holte sich das Wams, das der König aufgehangen hatte, als er schlafen wollte. Er zog es an und ging damit nun auf der Straße auf und ab; und bald hatte sich eine unheimlich große Menge um ihn versammelt. Die Leute machten unsagbaren Lärm; die einen schrien, die andern lachten und sagten: »Da, schaut euch mal den Towo an, der hat das Wams des Königs an!« Weil der Lärm gar so groß war, erwachte der König und sagte: »Weshalb machen die Leute nur solchen Lärm?« Der König trat auf den Söller hinaus und sah nun, wie Towo sein Wams anhatte und damit gemächlich auf der Straße hin und her ging.

Der König rief: »Komm' einmal her, Towo!« Darauf ging Towo nach oben. Der König sprach zu ihm: »Sag', wie darfst du nur so unverschämt sein, mein Wams anzuziehen und damit auf der Straße herumzuprunken?« Towo antwortete: »Eigentlich dürfte das wohl nicht sein, aber die Prinzessinnen haben mich dazu angestiftet.« Der König fragte: »Wie haben sie das gemacht?« Darauf erzählte Towo, wie es gekommen war, und weshalb er es getan hatte.

Nun sagte der König: »Wenn sie dich zum Stehlen oder Morden angestiftet hätten, hättest du das tun dürfen? Du sollst in den Block geschlossen werden.« Towo erwiderte: »Schön, Herr König, aber wie soll ich bloß meine Füße in den Block stecken, die Löcher sind ja so klein?« Der König sagte: »Ich werde es dir schon zeigen.« Towo fragte dann: »Gut, Herr [220] König, Ihr wollt es mich also lehren? Und wieviele Tage soll ich in den Block geschlossen werden?« Der König antwortete: »Neun Tage.«

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 219-221.
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