[510] 1. Von dem Menschen und dem Fuchs (S. 352).

Die hier wirklich ausgeführte Rettung der Menschen vom Bären, fingirt der Fuchs in einem andern litauischen Märchen (Schleicher, Litauische Märchen, Sprichworte und Lieder. Weimar 1857. S. 8: »Vom Fuchse«). Dort giebt er vor, den schlafenden Menschen von einem Wolf gerettet zu haben und will dafür ein paar Hühner haben. Als er im Loch ist, »neckte er die Hündchen mit seinem Schwänze und sagte: »Ihr Bunten, da habt ihr den Schwanz!« indem er dachte: »Die kriegen mich doch nicht!« »worauf sie ihn zerreissen. – Die Worte: »Da hast du den Schwanz!« (S. 353), lauten im Original: »nàtibe vòst« (corrumpirt aus dem russischen: на тебѣ хвостъ) und machen es ziemlich gewiss, dass dem Erzähler eine russische Version bekannt war. In der That stimmt ein weissrussisches Märchen Af. III, 4 Лиса и жбанъ (der Fuchs und der Krug) S. 22 ff. (Gouv. Grodno) mit unserm litauischen in vielen Punkten überein. Zu einem pflügenden Ackerwirth (гаснадаръ) kommt ein Wolf, der ihn fressen will. Der Mann will erst fertig pflügen. Während er weinend weiterpflügt, kommt ein Fuchs und verspricht, ihn, für einen Sack Hühner, zu retten. Der Fuchs läuft auf einen Berg und ruft: »Tru-ru-ru-ru! Der junge Fürst jagt (палюе)! Was liegt da bei dir unter dem Wagen, Mensch?« Der Mensch sagt: »Ein Klotz, Herr, ein Klotz.« (калода, пане, к.) »Wenn es ein Klotz wäre, so läge er doch auf dem Wagen.« Der Wolf lässt sich auf den Wagen legen, dann, als der Fuchs wiederkommt und sagt, ein Klotz wäre doch festgebunden, festbinden, schliesslich bittet er ihn, die Axt irgendwo festzumachen, dass sie aufrecht stände (u. es so aussehe, als stecke sie in ihm) (кабъ гдзѣ сакеру причапиу, кабъ яна стырчала), worauf ihm der Bauer die Axt in den Kopf haut. Statt der Hühner steckt der Mensch nun 2 Hunde, den Grauen und den Weissen in den Sack u.s.w. Im Loch fragt der Fuchs die Augen, »Was dachtet ihr, als mich die Hunde zausten? (што вы думали, якъ мене рвали сабаки?) »Wir dachten,« sagen die Augen, »wie wir wohl am schnellsten ins Loch entkommen konnten (кабъ якъ прендзей уцячи да норки). »Und ihr Pfoten?« Die dachten dasselbe. »Und du alter thörichter Schwanz (хвостищедурнище), was dachtest du?« »Ich dachte, wie sie dich wohl am schnellsten fingen und erwürgten.« »O du alter Schwanz, ich werde dich den Hunden geben.« Er kriecht aus dem Loch: »Da, Grauer und Weisser, da habt ihr den Schwanz!« (на, каже, Сѣрка, Бѣр(л)ка! на хвостъ!) Die Hunde reissen ihm[516] den Schwanz ab, es gelingt ihm aber zu entkommen und das Märchen endet mit der Geschichte vom Fuchs und dem Krug, in den er seinen Kopf steckt, um ihn zu ersäufen und mit dem er selbst ertrinkt. – In den Anmerkungen zum 3ten Heft seiner Sammlung giebt Af. auf S. 111 eine Variante aus dem Gouvernement Tula. Hier ist es ein Bär, der einen Rüben säenden Bauer fressen will und ihm das Leben schenkt, als jener ihm verspricht, ihm von der Ernte die Hälfte über der Erde zu geben. Der Bär ist auch ganz zufrieden, als der Bauer ihm eine Fuhre Blätter bringt, bis er ihm einmal begegnet, als Jener die Rüben in die Stadt fährt. Er kostet davon und als sie ihm schmecken, brüllt er, der Bauer habe ihn geprellt und solle sich daher nicht wieder im Wald sehen lassen Im Winter verheizt der Mann nach und nach sein ganzes Hausgeräth, bis er sich entschliessen muss, Holz zu holen. Der Fuchs reitet den Bauer dadurch, dass er den Treiberlärm nachmacht (порскàть). Der Bär, der unterdessen ankommt, fragt, was das für ein Geschrei sei, worauf der Bauer antwortet, es würden Wölfe und Bären gejagt. Der Bär lässt sich auf dem Schlitten mit Holz zudecken und festbinden und wird todtgeschlagen. Der Fuchs läuft auf die Aufforderung des Bauers, der ihn zu Haus bewirthen will, vor dessen Schlitten her, wird aber von den Hunden desselben, denen dieser bei seiner Ankunft pfeift, verfolgt und entkommt in seinen Bau. Es folgt nun das Selbstgespräch: Die Augen sahen zu, dass er nicht stolpere, die Ohren horchten, wie weit die Hunde seien, der Schwanz aber kam ihm in die Füsse, damit er fiele und den Hunden in die Zähne geriethe. »Aha, Canaille! (порскàть) so sollen dich denn die Hunde fressen.« Er steckt den Schwanz hinaus, »fresst, Hunde, den Fuchsschwauz!« (ѣшьте, собаки, лисій хвостъ!) wird gepackt und zerrissen. »So geht es oft, der Schwanz kostet auch den Kopf.« – Dieselbe Motivirung der Absicht des Bären, den Bauer zu fressen, findet sich Af. I, 1 Лиса (der Fuchs) e, s. 27. 28. (Gouv. Astrachan), wo der Bär zwei Jahre nacheinander, erst mit Rüben, dann mit Weizen, betrogen wird und fast Hungers stirbt. Im 3 ten Jahr kommt er auf's Feld und will den Bauer fressen. Der Fuchs rettet ihn (das Motiv der Jagd ist vergessen. Der Fuchs fragt einfach, was da unter der Telega (Leiterwagen) liege, worauf der Bär den Bauern bittet, er möge sagen, es sei ein Klotz. Der Bauer hat zwei Hühner und einen Hund im Sack u.s.w. Der Fuchs ist über den Schwanz böse und steckt ihn aus dem Loch hinaus mit den Worten: »da Hund, friss den Schwanz!« (на собака ѣшь хвостъ) und wird zerrissen. – Ebenso Af. II. N. 33. Мужикъ, медвѣдь и лиса (der Bauer, der Bär und der Fuchs), aus dem Gouv. Tambov. Der geprellte Bär wird aufgebracht, als ihm der Bauer zum Hohn Brötchen (ситники = булки) aus dem Weizenmehl, um welches der Bär betrogen worden ist, zeigt. Der Fuchs fragt: »Bauer, giebt es hier keine Wölfe (волковъ-бирюковъ)?« Der Bär verspricht dem Bauer das Leben, wenn er nein sage. »Aber was liegt dort bei der Telega« u.s.w. Gespräch mit Ohren, Füssen, Augen und Schwanz. »So! du bist mir die ganze Zeit im Wege gewesen, na warte!« Er steckt den Hunden den Schwanz hinaus u.s.w.

Das Gespräch mit den Gliedern findet sich auch in andern Fuchsgeschichten. So erzählt das Märchen Af. IV, 9, Лиса плачея (der Fuchs als Klageweib),[517] wie ein Mann an einer, bis zum Himmel wachsenden, Bohnenranke, in den Himmel klettert. Dort gefällt es ihm so gut, dass er seiner Frau auch die Herrlichkeit zeigen will, sie in einen Sack packt, diesen zwischen die Zähne nimmt und noch einmal hinaufklettert. Hierbei lässt er sie fallen; sie stirbt und er zieht mit drei paar Hühnern umher und verspricht dem zwei Hühner, der das beste Klagelied singen würde. Er begegnet einem Bären und einem Wolf, die machen es ihm nicht nach Geschmack. Dann trifft er den Fuchs, der singt: »Turu-turu Grossmütterchen, Grossvater hat dich umgebracht!« Das Lied gefällt dem Bauer, er lässt es den Fuchs viermal singen. Da er aber nur drei Paar Hühner da hat, geht er nach Haus, das vierte zu holen, und versteckt dabei zwei Hunde unter die Hühner. Der Fuchs geht mit dem Sack heim, unterwegs macht er ihn auf, frisst ein Huhn nach dem andern, bis er an die Hunde kommt u.s.w. Das Selbstgespräch ist hier gereimt. Die Ohren sagen: мы слушали, да слушали, чтобъ собаки лисаньку не скушали;; die Augen: мы смотрѣли, да смотрѣли, чтобъ соб. лис. не съѣли;; die Füsse: мы бѣжали, да бѣжали, чтобъ соб. л. не поймали; der Schwanz: я по пнямъ, по кустамъ, по колодамъ зацѣплялъ, чтобъ соб. л. поймали да разорвали (wir horchten, damit die H. den F. nicht frässen – wir sahen (uns um), damit die H. den F. nicht fingen – ich hakte mich in Stümpfe, Sträucher, Klötze, damit die H. den F. fingen und zerrissen). »Na! dann hier habt ihr ihn, Hunde! fresst meinen Schwanz;« нате собаки! ѣште мой хвостъ. – Ebenso endigt das in der Anmerkung zu No. 2 von mir besprochene Märchen, Erl. 22 Мужикъ и змѣя (der Bauer und die Schlange) S. 104 (Gouv. Tula). Augen, Ohren, Füsse haben ihre Schuldigkeit gethan. »Und du alter grauer Schwanz, was thatest du?« »Ich zog immer nach hinten und immer nach hinten, damit sie den Fuchs fingen!« »Na! dann Graue und Weisse, da habt ihr meinen alten grauen Schwanz, zaust ihn (oder: reisst ihn ab)« (Ну сѣрые бѣлые, нате мой сѣрый хвостище, рвите его.

Einige kleine Abweichungen bietet ein kleinrussisches Märchen, Лисиця, ведмідь и мужикъ (Fuchs, Bär und Bauer), Rudč I, 8 S. 17 (Gouv. Černigov). Der Bär legt sich auf den Wagen, bis der Bauer die Furche gezogen habe. – Die Augen sollen dafür, dass sie den kürzesten Weg gesucht haben, eine Brille (вигуляри) bekommen, die Füsse sollen Schuhe kriegen. Der Schwanz hat sich an Sträuchern und Baumstümpfen festgehakt und wird zum Loch hinausgesteckt: »Da, beiss ihn ab, Weisser« (на, одкуси, поки биленьке). Der Fuchs rettet sich, es folgt die Geschichte mit dem Krug. –

Ein kroatisch-slovenisches Märchen, aus Provinzialkroatien (Varasdin), Valj. LXIV Človek, zajec, Iisica i medved (Mensch, Hase, Fuchs und Bär) S. 274, erzählt, wie der in der Nähe der Bären wohnende Hase, wenn er an der Bärenhöhle vorbeiging, die Bärenjungen beschimpft und angespien hat. Der Bär lauert ihm auf und verfolgt ihn, bleibt aber an einem Baum hängen. Ein Vorübergehender befreit ihn und er verspricht, ihm einen Baum voll Honig zu zeigen, verlangt aber zugleich, er solle Keinem erzählen, wie der Hase sich über ihn lustig gemacht habe. Der Mensch verspricht es, allein der Bär, der sich ihm nachschleicht, hört, wie er das Geheimniss seiner Frau[518] verräth. Als der Bär hierauf den Mann trifft, der mit einem Sack Weizen auf's Feld fährt; will er ihn fressen. In der Ferne steht ein Fuchs, wedelt mit dem Schwanz und sagt: »Mensch! du hast Verstand im Kopf und einen Knüppel in der Hand!« Darauf schüttet der Mann den Weizen aus und sagt zum Bären, er habe sich nicht zum Tode vorbereitet, habe nicht gebetet und keine Busse gethan: der Bär solle in den Sack kriechen, er wolle ihn zur Busse zwei- bis dreimal ums Feld tragen, dann solle er mit ihm machen, was er wolle. Der Bär, der sich durch diesen Vorschlag geschmeichelt fühlt, geht darauf ein und wird todtgeschlagen. Der Fuchs aber will dem Mann, als Lohn für den erwiesenen Dienst, die Nase abbeissen und weist alles andere zurück. Aus Angst f ...t der Bauer dreimal und sagt auf die Frage des Fuchses, was das sei, er habe gestern neun Jagdhunde gegessen, die wollten jetzt hinaus. Der Fuchs verspricht, die Nase in Ruhe zu lassen, wenn der Mensch die Hunde solange zurückhalten wolle, bis er weg sei und läuft davon. – Ferner gehört hierher der Schluss von Valj. LXIII, Tica, lisica i pes (der Vogel, der Fuchs und der Hund) S. 273. Der Vogel, den der Fuchs fressen will, ruft den Hund, der im Versteck gelauert hat und den Fuchs nun verfolgt. Der Fuchs entkommt in sein Loch und hält das bekannte Gespräch mit den Gliedern, worauf er zum Schwanz sagt: »Hm, hm, du bist mein Feind! alles war mir treu, nur du allein warst mir untreu; von nun an sollst du nicht mehr mit mir in meinem Bau zusammen sein. Marsch 'raus! marsch 'raus, Feind!« (marš vun, marš vun, moj neprijatel) u.s.w.

Zum Schluss sei noch ein polnisches Märchen aus der Krakauer Gegend, Lud VIII, 100, O lisicy i wilczku (vom Fuchs und vom Wölfchen) S. 237, erwähnt. Der Fuchs, der den Wolf auf alle mögliche Weise angeführt hat, sitzt einst in seiner Höhle und spricht mit sich selbst. Er betrachtet seine einzelnen Glieder und findet sie alle schön und will sie für sich behalten, nur den Schwanz findet er nicht schön: den kann das Wölfchen kriegen (»piękneście oczka, piękne to dla mnie, piękneście uszka, p.t.d.m., pięknyś nosku piękny t.d.m., pięknyś ogonku, niepiękny – ej togo Kurzacza zostawię wilczkowi!«). Und ohne zu wissen, dass der Wolf hinter ihn getreten war und zuhörte, schenkte er dem Wolf den Schwanz, und der packte den Schwanz und ihn und zerriss sie. –

Von ausserslavischen Märchen ist mir als hierhergehörig bekannt: Hahn, Griech. u. alban. Märchen II, 96, Von dem Bären, dem Bauer und dem Fuchse eine Variante von Valj. LXIV: Die vom Hasen geküsste Bärin will den Bauer, der ihr Schweigen gelobt, aber sein Versprechen gebrochen hat, fressen, lässt sich aber, als die Füchsin den Bauer fragt, ob es nichts für den König zu jagen gebe, als Klotz ausgeben und in einen Sack stecken, wo sie erschlagen wird. Der Fuchs, den Hunden entkommen, sagt zu sich: »Meine Mutter war kein Richter, mein Vater war auch kein Richter, was kam mir altem Esel an, den R. zu spielen. Da wollt' ich doch gleich, dass einer da wäre und mich todtschlüge, dass er mich am Schweife fasste und mich so lange walkte, bis ich draufginge!« Das hört ein dort versteckter Mann, packt ihn beim Schwanz und schlägt ihn todt. In der Anmerkung dazu p. 308 citirt Hahn Grimm III,[519] S. 259, wo ein esthnisches Märchen (Reinhard Fuchs CCLXXXIII) angeführt wird, in welchem der Bär vom Bauer betrogen wird und der Fuchs es dahin bringt, dass der Bär, der dem Bauer die Ochsen wegnehmen will, gebunden und geiödtet wird. – Vgl. dazu F. Liebrecht, Lappländische Märchen, Germania XV (N.R. III), 1870, S. 161 ff. 1. Der Fuchs und der Bär S. 163.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 510-511,516-520.
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