[459] 969. Eine Hexe als Elster.

Zu Arlon war der Brauch, daß man am Sonntag Laetare, als am Halbfastensonntag, den Halbfastenhering aß. Viele Leute aus der Umgegend kamen an diesem Sonntag nach Arlon. Unter denselben befand sich auch einst ein junger Schreiner aus Pratz. Eben war in der Kapuzinerkirche die Messe beendet und der Jüngling stellte sich unweit der Kirchtür auf, um sich die heraustretenden Leute anzusehen. Da ging eine hohe, schöngekleidete Weibsperson an ihm vorüber und stieß ihn mit dem Ellenbogen auf die Brust. Wie er sich nachher entfernen wollte, war er blind. Seine zwei Schwestern, die ihn begleiteten, führten ihn weg; und wuschen ihm die Augen mit kaltem Wasser, worauf er wieder sehend wurde.

Bei ihrer Rückkehr nach Hause mußten sie an einer Sägemühle vorüber.[459] Dort saß auf einer Stange eine Elster; der Jüngling lockte sie und unerwartet kam sie ihm auf den Arm geflogen, von wo sie sich nicht mehr verscheuchen lassen wollte. Acht Tage lang saß sie dort und fraß so viel, daß der Jüngling sie nicht satt bekommen konnte. Er klagte nun einem Geistlichen sein Leid; der vertrieb die Elster und sagte ihm, er hätte am Sonntag Laetare beim Aufstehen Weihwasser nehmen und die Elster bei der Sägemühle ungeschoren lassen sollen.


Lehrer Laures zu Insenborn

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 459-460.
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