6. Der Teufel und sein Lehrjunge.

[54] Es war einmal ein Mann, der hatte einen einzigen Sohn. Dieser Sohn sprach eines Tages zum Vater: »Vater, was werden wir anfangen? so können wir fortan nicht mehr leben, ich will in die Welt gehen, und irgend ein Handwerk[54] lernen. Du siehst selbst wie es heut zu Tage ist; wer nur das unbedeutendste Handwerk versteht, lebt immer besser als ein Ackersmann.«

Der Vater suchte lange Zeit ihn davon abzubringen, und stellte ihm vor, daß auch das Handwerk seine Sorgen und Mühen habe, daß er nicht ihn, seinen Vater, allein lassen möge. Doch als der Sohn auf keine Weise mehr zu bewegen war von seinem Vorhaben abzustehen, gab der Vater endlich seine Einwilligung, daß er in die Welt ginge und ein Handwerk lernte. Da machte er sich auf und ging in die Welt sich ein Handwerk zu suchen.

Und wie er fröhlich seine Wege wanderte, da kam er an ein Wasser, und längs dem Ufer gehend, begegnete er einem Manne in grünen Kleidern, der ihn fragte wohin er gehe? worauf er antwortete: »Ich ziehe in die Welt mir einen Meister zu suchen, um ein Handwerk zu erlernen.« Da erwiederte ihm der Mann in grünen Kleidern: »Ich bin ein Meister, komm zu mir und ich will dich ein Handwerk lehren, wenn dein Herz so sehr darnach verlangt.« Der Knabe konnte es kaum erwarten und ging mit ihm. Wie sie so längs dem Wasser fortgingen, da sprang plötzlich der Meister in das Wasser, fing zu schwimmen an und sagte zum Knaben: »Spring mir nach ins Wasser und lerne schwimmen.« Der Knabe sträubte sich und sprach, er getraue sich nicht aus Furcht zu ertrinken, doch der Meister erwiederte ihm: »Fürchte dich nicht und spring mir nur nach.« Da sprang der Knabe und schwamm neben dem[55] Meister fort. Als sie aber in die Mitte des Wassers kamen, packte der Meister den Knaben beim Halse und tauchte mit ihm in die Tiefe, denn er war der Teufel, und führte nun den Knaben in seine Höhle, übergab ihn dort einem alten Weibe, und kehrte dann wieder zurück auf die Oberwelt.

Sobald er fort war, und die Alte mit dem Knaben allein blieb, fing sie mit ihm zu sprechen an: »Mein Söhnlein, du glaubst daß dieser Mann solch ein Meister sei, wie Einer auf der andern Welt. Aber da täuschest du dich, denn er ist der Teufel. Auch mich hat er so betrogen, und aus jener Welt hieher geschleppt, ich bin auch eine getaufte Seele. Nun höre mich, was ich dir sagen will. Ich werde dich ausführlich sein Handwerk lehren, sollte er kommen und dich fragen, ob du schon etwas erlernt habest, so sage ihm nur jedes Mal, du wissest noch gar nichts, wenn dir daran gelegen ist dich von ihm zu befreien und auf die Oberwelt zurückzukehren.«

Nach einiger Zeit kam auch wirklich der Teufel und fragte den Knaben: »Was hast du schon erlernt?« Worauf dieser antwortete: »noch gar nichts.« Und so vergingen drei Jahre, und so oft der Meister den Knaben fragen mochte, was er gelernt habe, antwortete dieser immer: »Nichts.« Zuletzt fragte ihn der Teufel noch einmal: »Hast du etwas erlernt?« Und der Knabe antwortete wieder: »Gar nichts, ich habe vielmehr auch das noch vergessen, was ich früher konnte.« Da ward der Teufel zornig und sprach: »Wenn du bis jetzt nichts gelernt hast, wirst du nie etwas lernen,[56] darum packe dich fort, wohin dich deine Augen führen und deine Füße tragen!«

Der Knabe, welcher bereits des Teufels Handwerk tüchtig erlernt hatte, sprang gleich ins Wasser, schwamm an die Oberfläche und dann ans Ufer und ging zu seinem Vater heim. Wie ihn der Vater erblickte, eilte er ihm von weitem entgegen und fragte ihn: »Wo warst du, mein Sohn, um Gottes Willen?« Worauf dieser ihm antwortete: »Ich habe ein Handwerk erlernt.«

Nach einiger Zeit wurde in einem nahe gelegenen Dorfe Jahrmarkt abgehalten, da sprach der Sohn zum Vater: »Vater, laßt uns auf den Markt gehen.« Und der Vater entgegnete: »Aber womit sollen wir hingehen Söhnlein, da wir gar nichts besitzen?« »Das sei deine geringste Sorge,« antwortete der Sohn, und so gingen sie denn auf den Markt. Unterweges aber sprach der Sohn zum Vater: »Wenn wir uns dem Jahrmarkte nähern, will ich mich in ein schönes Pferd verwandeln, wie keines am ganzen Markte sein soll und alle Welt wird sich darüber wundern. Und da wird mein Meister kommen das Pferd zu kaufen, und welchen Preis du auch dafür aussprechen wirst, den wird er dafür bezahlen. Doch hüte dich ihm den Halfter zu geben, sondern so wie du das Geld empfängst, nimm mir den Halfter vom Kopfe und schlage damit auf die Erde.« Als sie sich dem Markte näherten, verwandelte sich der Knabe plötzlich in ein Pferd, wie noch nie ein so schönes zu sehen war. Und der Alte führte es auf den Markt, und alle Leute umringten ihn, und waren[57] voll Verwunderung, aber keiner getraute sich auch nur zu fragen, was das Pferd koste. Da kam mit einem Male der Meister daher gegangen, er hatte sich in einen Türken verwandelt, trug einen Turban um den Kopf gewunden, und bis zur Erde wallende Kleider. Und als er näher trat, sprach er: »Ich wünsche dieses Pferd zu kaufen, sage Alter, was verlangst du dafür?« So groß auch die Summe war, welche der Alte dafür verlangte, der Türke zählte sie ihm, ohne ein Wort zu verlieren, in baarem Golde auf. Kaum hatte aber der Alte das Geld in Empfang genommen, so nahm er dem Pferde den Halfter ab, und schlug damit auf die Erde. In dem Augenblicke verschwanden Käufer und Pferd. Als aber der Alte mit dem Gelde nach Hause kam, siehe, da war der Sohn auch schon daheim.

Einige Zeit nachher sollte ein anderer Jahrmarkt abgehalten werden, da sprach der Sohn abermals zum Vater: »Komm Vater, laß uns auf den Jahrmarkt gehen.« Diesmal wollte der Vater schon nichts dagegen einwenden, sondern ging gleich mit. Als sie sich dem Jahrmarkte ziemlich genähert hatten, sprach der Sohn: »Nun will ich mich in eine Bude verwandeln, in eine Bude voll mit Waaren, wie deren schönere und kostbarere auf dem ganzen Jahrmarkte nicht werden zu sehen sein. Auch wird sie Niemand kaufen können, aber da wird mein Lehrer wieder kommen, und dir dafür geben, was du nur immer verlangst. Doch gieb ihm bei Leibe nicht die Schlüssel in die Hände, sondern so wie du das Geld empfängst, schlage mit den[58] Schlüsseln auf die Erde.« So geschah auch Alles. Als er sich in eine schöne Kaufbude verwandelt hatte, eilte jedermann herbei sie zu besehen; da kam plötzlich wieder der Meister dahergegangen, der sich wie früher in einen Türken verwandelt hatte, und den Alten fragte: »Wie viel verlangst du?« So viel der Alte begehrte, so viel zahlte der Türke ihm ohne Säumen, doch als der Alte das Geld empfangen hatte, schlug er mit den Schlüsseln auf die Erde, und in dem Augenblicke verschwanden Bude und Käufer; die Bude verwandelte sich in eine Taube und der Türke in einen Sperber, der die Taube verfolgte; und wie sie so hin und her jagten, da tritt die Tochter des Kaisers zum Schlosse heraus und sieht ihnen zu. In dem Augenblicke fliegt ihr die Taube auf die Hand, und verwandelt sich in einen Ring an ihrem Finger. Da senkt sich der Sperber zur Erde, nimmt die Gestalt eines Mannes an, geht hin zum Kaiser und dringt in ihn, ihn in Dienst zu nehmen; er wolle ihm drei Jahre lang dienen, und nichts auf der Welt dafür verlangen, weder Speise noch Trank, noch Kleidung, nur möge ihm der Kaiser jenen Ring geben von seiner Tochter Hand. Der Kaiser nahm ihn auf, und versprach ihm sein Begehren zu erfüllen. Und so diente er, das Mädchen aber trug den Ring, und er war ihr sehr lieb, denn bei Tage war er ein Ring, des Nachts aber ein schöner Jüngling, der zu ihr sprach: »Wenn die Zeit kommt, daß sie mich von dir nehmen wollen, gib mich Niemanden in die Hände, sondern schlage mit mir auf die Erde.« Wie die drei Jahre um waren, kam der[59] Kaiser zu seiner Tochter, und hob an sie zu bitten ihm den Ring zu geben. Sie aber sich zornig stellend, warf ihn zur Erde, da zersprang der Ring und aus ihm ward Hirse, von welchem ein Körnlein unter des Kaisers Schuh rollte. Da verwandelte sich der Diener plötzlich in einen Sperling, der über Hals und Kopf den Hirsen aufzupicken sich beeilte, und schon war er beinahe mit allen Körnern fertig geworden, und wollte auch jenes letzte Körnlein unter des Kaisers Schuh verschlingen, als aus diesem plötzlich ein Kater ward, der den Sperling beim Hals packte und ihm den Garaus machte.

Quelle:
Karadzic, Vuk Stephanovic: Volksmärchen der Serben. Gesammelt und aufgezeichnet von Wuk Stephanowitsch Karadschitsch. Ins Deutsche übersetzt von Wilhelmine Karadschitsch. Berlin: Reimer, 1854, S. 54-60.
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