Strandgräber (Bathyergus maritimus)

[401] Der afrikanische Vertreter der Wurfmäuse, der Strandgräber (Bathyergus maritimus, Mus suillus und maritimus, Bathyergus suillus, Orycterus maritimus), ist ebenso unschön wie die übrigen hierher gehörigen Thiere, plump gebaut, mit walzigem Rumpfe, breitem, stumpfem Kopfe, ohne Ohrmuscheln, mit sehr kleinen Augen und breiter, knorpeliger Nasenspitze, kurzen Beinen und fünfzehigen, durch riesige Scharrnägel bewehrten Pfoten. Der Pelz ist dicht, außerordentlich weich und fein; lange, ganz steife Schnurren umgeben den Kopf; der stummelhafte Schwanz trägt einen Strahlenbüschel. Auffallend lang sind die weit vorragenden, schwach gebogenen, weißen Nagezähne, deren oberes Paar durch eine tiefe Rinne förmlich getheilt ist. Unter den vier Nagezähnen in jedem Kiefer ist der hinterste der größte. Die allgemeine Färbung des Pelzes ist weiß, oben gelblich, unten grau überlaufen. Die Länge beträgt einschließlich des 5 Centim. langen Schwanzes 30 Centim.

Der Strandgräber ist über einen verhältnismäßig kleinen Theil Südafrikas verbreitet; am häufigsten findet er sich am Vorgebirge der Guten Hoffnung. Sandige Küstengegenden bilden seinen Aufenthalt, und sorgfältig vermeidet er jeden festeren und pflanzenreicheren Boden. In den Dünen oder Sandhügeln längs der Küste wird er häufig getroffen. Sein Leben ist unterirdisch. Er gräbt sich tief im Sande lange, verzweigte, röhrenartige Gänge, welche von mehreren Mittelpunkten ausstrahlen und unter einander vielfach verbunden sind. Reihenweise aufgeworfene Haufen bezeichnen ihren Verlauf.

Die Gänge sind weit größer als die des Maulwurfes, da das fast hamstergroße Thier selbstverständlich Röhren von größerem Durchmesser graben muß als der kleinere Mull. Wie es scheint, ist der Strandgräber emsig bemüht, überall dem Eindringen der äußeren Luft zu wehren, wie er denn überhaupt ein im höchsten Grade lichtscheues Geschöpf ist. Kommt er durch irgend einen Zufall auf die Erde, so kann er kaum entfliehen. Er versucht dann, sich auf höchst unbeholfene Art fortzuschieben und zeigt sich ängstlich bemüht, wieder in die Tiefe zu gelangen. Greift man ihn an, so schleudert er heftig den Vorderleib umher und beißt wüthend um sich. Die Bauern hassen ihn außerordentlich, weil er den Boden so unterwühlt, daß häufig die Pferde von oben durchtreten und Gefahr laufen, die Beine zu brechen, ja, daß selbst Menschen sich schädigen. Gewöhnlich wirft er morgens um sechs Uhr oder nachts um zwölf Uhr seine Haufen auf. Dies benutzen die Bauern, um ihn zu vertilgen. Sie räumen einen Haufen weg, öffnen eines seiner Löcher, legen in dasselbe eine gelbe Rübe oder andere Wurzel und befestigen diese an einer Schnur, welche den Drücker einer Flinte abzieht, deren Lauf nach dem Loche gerichtet ist. Sobald der Strandgräber an der Rübe zerrt, entladet er die Flinte und tödtet sich selbst durch den Schuß. Auch leitet man Wasser in[401] seine Baue, um ihn zu ersäufen. Weiteres über ihn und seine Lebensweise scheint noch nicht bekannt zu sein. Von der Paarung und Fortpflanzung weiß man nichts.

Vielleicht darf man den Wurfmäusen eine Nord-und Mittelamerika angehörige Unterordnung, die der Taschennager (Saccomyida), anreihen. Es enthält diese Abtheilung sehr verschieden gestaltete, theilweise zierliche und hübsche, theilweise unschöne, in ihrem Wesen, ihren Sitten und Gewohnheiten wenig bekannte Nager, welche sich von allen übrigen dadurch unterscheiden, daß sie verschieden lange oder tiefe, von außen sich öffnende, innen mit kurzen Haaren ausgekleidete Backentaschen besitzen. Dieses eine Merkmal genügt, um die hierher zu zählenden Arten der Ordnung von allen Verwandten zu unterscheiden. Das Gebiß stimmt der Anzahl der Zähne nach mit dem der Eichhornnager wie der Stachelschweine überein und besteht außer den Nagezähnen in jedem Kiefer aus vier Backenzähnen mit geschlossenen und ungeschlossenen Wurzeln. Am Schädel, dessen Umriß mit dem Jochbogen fast viereckig erscheint, sind die Schläfenbeine außerordentlich entwickelt, und reicht das Jochbein vorn bis zu dem Thränenbeine; Schien- und Wadenbein sind verwachsen, die fünfzehigen Füße sämmtlich mit Krallen, und zwar die vorderen mit stärkeren als die hinteren bewehrt. Der Pelz besteht aus straffen oder steifen Grannen ohne Grundhaar.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 401-402.
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