Katzenvogel (Galeoscoptes carolinensis)

[162] Eine andere Art der Unterfamilie und Vertreter der Halbspötter (Galeoscoptes) ist der Katzenvogel (Galeoscoptes carolinensis, Muscicapa, Turdus, Orpheus und Mimus carolinensis), welcher sich einmal nach Helgoland verflog und deshalb unter den Vögeln Deutschlands aufgezählt wird. Seine Merkmale sind der schwache, etwas höher als breite, in der Endhälfte seicht gebogene, an der Spitze stärker abwärts gekrümmte Schnabel, der mäßig hohe, vorn quer getäfelte, mit wenig deutlichen, stark verwachsenen Schildern gedeckte, ziemlich kurzzehige Fuß, der kurze, runde Flügel, unter dessen Schwingen die vierte und fünfte die Spitze bilden, und der verhältnismäßig lange, stark abgerundete, aus fast gleich breiten, vor der Spitze allmählich erweiterten, stumpf abgerundeten Federn bestehende Schwanz. Die Länge des Katzenvogels beträgt zweiundzwanzig, die Breite dreißig, die Fittiglänge neun und die Schwanzlänge zehn Centimeter. Das Gefieder ist vorwaltend schiefergrau, unterseits, zumal auf der Bauchmitte, heller, das des Ober- und Hinterkopfes schwarz, der Unterschwanzdecken dunkel kastanienrothbraun; die Schwingen sind braunschwarz, innen fahl gerandet, die Schwanzfedern schwarz, die beiden äußersten am Ende schmal grau gesäumt. Die Iris ist braun, der Schnabel schwarz, der Fuß dunkel umberbraun.

Vom Winnepegsee an bis Florida bewohnt der Katzenvogel alle östlichen Vereinigten Staaten und besucht im Winter Mittelamerika, Westindien und die Bahamainseln. Schon im Februar beginnt er zurückzuwandern, erscheint um diese Zeit in Florida, Georgia und Carolina, reist langsam weiter und trifft in Virginien und Pensylvanien im April, in Neuengland endlich zwischen dem ersten und zehnten Mai ein, um nunmehr in Buschwaldungen und Obstgärten seinen Sommerstand zu nehmen. In seinem Wesen und Gebaren ähnelt er den Spottdrosseln, ist, wie diese, ein lebhafter, unruhiger, neugieriger und streitlustiger Gesell, steht aber der Spottdrossel im Gesange bedeutend nach, obwohl das Lied im Schnabel bevorzugter Männchen immerhin eine gewisse Reichhaltigkeit erlangt. Besonders ausgezeichnet ist seine Nachahmungsgabe, welche sich oft bis zum ergötzlichen steigern soll und demgemäß das Lied, je nach der Gegend und der in ihr lebenden mehr oder minder guten Sänger, wesentlich verändert. Während der eine den besseren Sängern ganze Strophen abstiehlt, begnügt sich der andere, das Pfeifen der Baumhühner, das Glucksen der Henne und das Piepen der Küchlein oder zufällig gehörte kreischende, knarrende und heisere Laute getreulich [162] nachzuahmen, leiert dazwischen andere Strophen ab und bringt so einen Vortrag zu Stande, welcher, wenn auch nicht immer den Beifall der Kenner erringt, so doch unterhält und erheitert.

Je nach der Lage des Sommerstandes beginnt der Katzenvogel früher oder später mit dem Aufbaue seines Nestes. Zur Brutstätte wählt er sich ein düsteres Dickicht oder einen versteckten Busch und errichtet hier in einer Höhe von zwei bis drei Meter über dem Boden sein roh aus schwachen Zweigen, vertrocknetem Grase, dürren Blättern, Rindenstückchen, Schlangenhaut, Papier, Band und Lappen bestehendes, innen mit feinen Würzelchen ausgekleidetes Nest, legt vier bis fünf glänzend und tief smaragdgrüne Eier von vierundzwanzig Millimeter Länge und siebzehn Millimeter Dicke und bebrütet dieselben beidgeschlechtlich mit größter Hingebung.


Katzenvogel (Galeoscoptes carolinensis). 3/5 natürl. Größe.
Katzenvogel (Galeoscoptes carolinensis). 3/5 natürl. Größe.

Ebenso widmen sich beide Eltern eifrig der Ernährung, Pflege und Erziehung ihrer Jungen, bethätigen angesichts eines Feindes oder Störenfriedes erhabenen Muth, stoßen kühn auf gefährliche Raubthiere, unter Umständen selbst auf den Menschen herab, schreien dabei kläglich, kreischen und treiben nicht selten die Eindringlinge wirklich in die Flucht. Auf die erste Brut folgt eine zweite, in guten Jahren vielleicht noch eine dritte.

Da der Katzenvogel sich mit denselben Stoffen ernährt, wie die Spottdrossel, läßt er sich leicht in Gefangenschaft halten, wird auch, zumal jung aus dem Neste genommen und liebevoll aufgefüttert, ein ungemein zahmer, durch die Zierlichkeit seiner Bewegungen und die Anmuth seines Wesens allgemein gefallender Stubengenosse.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 162-163.
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