Mittelmeersturmtaucher (Puffinus Kuhli)

[576] Der Mittelmeersturmtaucher (Puffinus Kuhli, Procellaria Kuhli und cinerea, Nectris cinerea und macrorhyncha) endlich ist fast ebenso groß wie der Wasserscherer. Seine Länge beträgt siebenundvierzig, die Fittiglänge fünfunddreißig, die Schwanzlänge vierzehn Centimeter. Die Obertheile sind graubraun, Mantel- und Oberflügel- und Oberschwanzdeckfedern durch lichtere Säume geziert, die Untertheile reinweiß, die Handschwingen schwärzlich, die Armschwingen, Schulter- und Steuerfedern dunkelbraun, letztere, gegen die Spitze hin allmählich dunkelnd, schwarzbraun. Das Auge ist tiefbraun, der Schnabel an der Wurzel lehmgelb, an der Spitze bläulich, der Fuß hellgelb.

Der Sturmtaucher bewohnt den Norden des Atlantischen Weltmeeres, einschließlich des Mittelmeeres, und kommt dann und wann auch in der Ostsee vor; der Wasserscherer verbreitet sich über das ganze Atlantische, der Rußsturmtaucher über dieses und das Stille Weltmeer; der Mittelmeersturmtaucher scheint auf das Binnenmeer, dessen Namen er trägt, und die Madeira und die Kanaren umgebenden Theile des Weltmeeres beschränkt zu sein.

Von allen übrigen Sturmvögeln erkennt man die Sturmtaucher, welche sämmtlich eine durchaus übereinstimmende Lebensweise führen, auf den ersten Blick an der sonderbaren Art ihres Fluges. Ich kenne keinen Seevogel, welcher so ungestüm wie sie seines Weges fortzieht. Gar nicht selten sieht man den Sturmtaucher ruhig schwimmen und vom Wasser aus in die Tiefe hinabtauchen; gewöhnlich aber zeigt er sich fliegend, und zwar nicht eigentlich schwebend, sondern über die Wellen wegschießend und sie durchfliegend. Mit ausgebreiteten Flügeln jagt er dahin, schnellt sich durch mehrere ungemein rasch aufeinander folgende, ich möchte sagen, schwirrende Schläge fort, dreht und wendet sich, nicht bloß seitlich, sondern auch von oben nach unten, so daß man bald die dunkle Ober-, bald die helle Unterseite zu sehen bekommt, und folgt nun entweder den Wellen, über deren Berge klimmend und durch deren Thäler sich senkend, oder erhebt sich plötzlich ungefähr drei Meter über das Wasser und stürzt in schiefer Richtung auf dasselbe herab, verschwindet in ihm, rudert nach Art der Flossentaucher, Flügel und Beine zugleich bewegend, ein gutes Stück weg und fliegt aus dem Wasser heraus wieder in die Luft, oft bloß um Athem zu holen, da er sofort wieder verschwindet. Man ist wohl berechtigt, den Flug anderer Sturmvögel zierlicher zu nennen, wird aber zugestehen müssen, daß kein anderes Mitglied der Familie in so wechselvoller, mannigfacher Weise seinen Weg zurücklegt wie gerade die Sturmtaucher. Der Wechsel des Fluges wird noch dadurch erhöht, daß man gewöhnlich eine größere Anzahl von ihnen antrifft, welche, durch die engsten Bande der Geselligkeit zusammengehalten, alle Geschäfte [576] in gewissem Sinne gemeinschaftlich, aber nicht zu gleicher Zeit, verrichten; denn während die einen in den Wellen verschwinden, erheben sich die anderen etwas weiter zurück aus denselben, fliegen nun über die eingetauchten weg und versenken sich, während jene zum Vorscheine kommen, und so fort. Dieser ewige Wechsel erhöht den Reiz der Beobachtung; ich wenigstens muß sagen, daß mich das Spielen der Sturmtaucher mit Luft und Wasser wahrhaft begeistert hat. Bemerken will ich noch, daß sie trotz der beständigen Unterbrechungen des Fluges rasch bedeutende Strecken durchmessen, weil sie sich eigentlich nirgends aufhalten, sondern immer und immer weiter gehen, wenn schon zuweilen weite Kreise beschreibend, welche sie nach dem Ausgangspunkte wieder zurückführen. Eine Stimme habe ich meinestheils nie von ihnen vernommen; nach Faber soll sie an die der Möven erinnern und zwischen der einer dreizehigen und Schmarotzermöve ungefähr mitten inne stehen.

Der Sturmtaucher erscheint, um zu brüten, in ziemlicher Menge auf St. Kilda oder anderen Hebriden und auf den Färinseln, und zwar zu Anfange des Mai, nach Versicherung der Eingeborenen nur bei Nacht, welche überhaupt als die Zeit der Thätigkeit unserer Vögel gelten soll. Nach Art mancher Taucher gräbt er sich mit Schnabel und Krallen tiefe Röhren in die Torfschicht, welche seine Brutplätze bedeckt, zuweilen solche von Meterlänge, welche einem Kaninchenbaue ähnlicher sehen als einem Vogelneste. Im Hintergrunde dieser Höhlen wird der Bau etwas erweitert, ein eigentliches Nest jedoch nicht gegründet, das Ei vielmehr auf den Boden oder doch nur einige Grashälmchen gelegt. Selbstverständlich benutzen die Vögel die vorjährigen Bauten, welche nicht zerstört wurden, noch lieber, als daß sie sich solche graben; doch wird auch diese Arbeit in sehr kurzer Zeit beendet. Das rundliche Ei ist groß, etwa sechzig Millimeter lang, fünfundvierzig Millimeter dick und fast reinweiß von Farbe. Beide Gatten des Paares brüten abwechselnd mehrere Wochen lang mit regem Eifer, wie lange, weiß man noch nicht, geberden sich sehr zornig, wenn man sie beunruhigt und geben, gereizt, einen Laut von sich, ähnlich dem Knurren und Belfern eines jungen Hundes, breiten ihren Schwanz fächerförmig aus, erheben sich und beißen ziemlich heftig nach ihrem Gegner. Eines von den Eltern steckt stets in der Höhle, auch dann noch, wenn das in braungraue, dichte, lange Flaumen gekleidete Junge bereits ausgekrochen ist. Letzteres soll, obgleich es von beiden Alten überreichlich gefüttert wird, langsam heranwachsen und erst nach mehreren Monaten so weit ausgebildet sein, daß es die Bruthöhlen verlassen und auf das Meer hinausfliegen kann. Bis dahin ist es so fett, daß ihm centimeterdicker Speck auf der Brust liegt, deshalb auch die leckerste Speise der Inselbewohner. Die Färinger erzählten Graba, daß die Alten in der Dämmerung oder Nacht ihre Bruthöhlen verlassen und nur einmal, und zwar des Morgens, ihren Jungen Atzung vorwürgen.

Abgesehen von dem Menschen, welcher die Brutplätze besucht, haben die Sturmtaucher wenig Feinde. In den südlichen Meeren sollen sie durch große Raubfische gefährdet werden; auf den Brutbergen werden ihnen Falken und Schmarotzermöven lästig.

Ihre Jagd ist sehr schwierig, weil ihre Rastlosigkeit regelrechte Verfolgung verhindert. Eigentlich scheu kann man sie nicht nennen; denn wenn man unter einen Flug von ihnen gekommen ist, kann man mehrere nach einander erlegen; aber sie spotten der Verfolgung, obgleich sie sich um das Boot nicht im geringsten kümmern, sondern nur mit ihrer gewöhnlichen Eilfertigkeit dahinziehen. Einzelne werden in Fischernetzen, andere auf geköderten Angeln gefangen; eine Fangweise aber, welche wirklich zum Ziele führt, gibt es nicht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 576-578.
Lizenz:
Kategorien: