Bodenrenke (Coregonus fera)

[241] In denselben Seen, welche den Blaufelchen beherbergen, lebt die Bodenrenke, auch Sand-, Weiß-oder Adelfelchen, Weiß-, Gang- und Sandgangfisch, Kröpfling, Ründling usw. genannt (Coregonus fera und lavaretus; Abbildung auf Seite 239), von jenem unterschieden durch kürzere und stumpfe Schnauze und kürzeren und gedrungeneren Schwanz, weniger durch die Färbung, welche im ganzen mit der des Blaufelchen übereinstimmt, nur daß die dunkle Farbe des Rückens nicht so lebhaft und mehr auf die Oberseite beschränkt ist. Die Rückenflosse spannen vier und elf, die Brustflosse ein und funfzehn, die Bauchflosse zwei und zehn, die Afterflosse vier und elf bis zwölf, die Schwanzflosse neunzehn Strahlen. An Größe übertrifft diese Art den Blaufelchen oft bedeutend, da sie durchschnittlich eine Länge von sechzig Centimeter und darüber und ein Gewicht von drei Kilogramm und mehr erreichen kann.

Zu ihrem Aufenthaltsorte wählt die Bodenrenke, welche man mit Hülfe der künstlichen Fischzucht auch in geeignete Seen Preußens, Posens und Polens verpflanzt hat, eine Tiefe von etwa vierzig Faden, obwohl auch sie unter Umständen in die untersten Gründe der Seen hinabsteigt. Die Nahrung besteht in den beim Blaufelchen genannten Thieren; doch soll sie in den Sommermonaten öfters an die Oberfläche kommen, um Kerbthiere wegzuschnappen. Dabei geschieht es, daß sich die Luft in der Schwimmblase zu rasch ausdehnt, sie demzufolge an die Oberfläche des Wassers geworfen und hier eine Zeitlang festgehalten wird, nachher aber, wie Schinz versichert, wieder in die Tiefe hinabzutauchen vermag. Wird sie beim Fange jählings emporgeholt, so findet genau dasselbe statt, und sie erwirbt sich dann den Namen »Kröpfling«, weil sich ihre Bauchhöhle, besonders der geräumigere und nachgiebigere Vordertheil derselben, kropfartig erweitert. Nach Ansicht der Fischer soll sie sich gerade hierdurch von dem Blaufelchen unterscheiden, wie dies schon Mangold hervorgehoben: »denn so der Sandfelch geschlagen wird, so schwebt er empor; wenn aber der Blaufelch ge schlagen wird, so fällt er zu Boden«. Während des November steigt die Bodenrenke zum Laichen empor und begibt sich an seichte Uferstellen des Sees, am liebsten auf die sogenannten Halden, da, wo die Untiefen in die Tiefen übergehen. Hier wird der Laich auf steinigem oder kiesigem Grunde abgesetzt, und darauf bezieht sich der Name Bodenrenke oder Sandfelchen.

Die Bodenrenke gehört, laut Schinz, unter die besten Fische, welche die Schweizer Seen ernähren, und ist um so wichtiger, als sie sehr häufig und das ganze Jahr hindurch, selbst mitten im Winter, wenn der Blaufelchen nicht gefischt werden kann, zu haben ist. Man fängt sie im Winter mit Garnen, im Sommer, besonders im Mai und Juni, an der Angel. Die hierzu eingerichteten Fischerschnüre bestehen aus einzelnen Haaren von Darmsaiten, sind so lang, daß sie viele Faden tief hinabgelassen werden können, werden auch gewöhnlich an einem Haspel befestigt, so daß man sie tiefer oder höher stellen kann. Jede Schnur hat mehrere Angeln, an welche man keinen Köder, sondern ein schwarzes Pferdehaar so befestigt, daß daraus die Gestalt einer Fliege gebildet wird. Fühlt sich die Bodenrenke gefangen, so wehrt sie sich stark, und es handelt sich für den Fischer nun darum, die Angelschnur so nachzulassen, daß sie immer gespannt bleibt und,[241] trotz ihrer Schwäche, vom Fische doch nicht zerrissen wird. Hat sich letzterer ausgetobt und ermüdet, so wird er sachte angezogen und vermittels eines Schöpfgarnes aufgenommen. Gefangene sterben, auch wenn sie mit größter Sorgfalt aus dem Wasser geschöpft werden, fast in demselben Augenblicke, welcher sie in die Gewalt des Menschen bringt.

Hinsichtlich der Güte des Fleisches sind die Ansichten verschieden. Einige ziehen die Bodenrenke dem Blaufelchen vor, andere halten diesen für besser. Letzteren schließt sich Siebold an, welcher behauptet, daß jener Fleisch an Güte und Zartheit dem des Blaufelchen bei weitem nachsteht und deshalb auch weniger geachtet wird.

Noch konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob die Maräne, welche den zwischen Stettin und Stargard gelegenen Madüsee und den Schaalsee im Lauenburgischen bewohnt und von ersterem aus in verschiedenen Seen Brandenburgs und Pommers eingebürgert wurde, als besondere Art oder nur als Spielart der Bodenrenke angesehen werden muß. Gestalt und Lebensweise scheinen für letzteres zu sprechen: die Unterschiede, welche man zwischen den beiden verwandten Fischen festgestellt hat, sind gering.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 241-242.
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