Karpfkarausche (Cyprinus Kollari)

[267] Aus den genauen Untersuchungen und Vergleichungen der neuzeitlichen Fischkundigen hat sich ergeben, daß die von Bloch unter dem Volksnamen Giebel (Carassius Gibelio) als besondere [267] Art aufgestellte Karausche, zum Unterschiede von der vorher beschriebenen Art auch Gold- oder Steinkarausche und Halbgareisl genannt, bloß als Abart anzusehen ist, da auch die Karauschen als Zuchtfische auffallende Formveränderungen erleiden, und ebenso zweifelt gegenwärtig niemand mehr daran, daß die Karpfkarausche, welche auch Karpfgareisl, Halbfisch, Halb-, Karsch-, Buckel-, Karauschen-, Karutzen- und Sittigkarpfen, Hälferling usw. heißt (Cyprinus Kollari), ein Blendling zwischen Karpfen und Karausche ist.

Der Verbreitungskreis der Karausche erstreckt sich über Mittel-, Nord- und Osteuropa. Sie ist häufig in Flüssen, Teichen und Seen des Rhein- und Donaugebietes, Ost- und Westpreußens, ganz Rußlands und Sibiriens, bevorzugt stehendes Wasser, namentlich Seen mit versumpften Ufern oder sogenannte todte Arme größerer Flüsse, kommt aber auch in kleinen Teichen, Pfuhlen, Tümpeln, Sümpfen und Mooren vor, ist überhaupt befähigt, in dem verschiedenartigsten und unreinlichsten Wasser auszuhalten und bei der schmutzigsten, schlammigsten Nahrung zu gedeihen. Auch sie nährt sich hauptsächlich von Würmern, Larven, faulenden Pflanzenstoffen und Schlamme, hält sich dementsprechend die längste Zeit ihres Lebens am Grunde auf, verweilt hier auch während der kalten Jahreszeit in Erstarrung, soll, laut Pallas, sogar in Eis einfrieren und später doch wieder aufleben können. Nur während der Laichzeit, welche in Südeuropa in den Juni, in Nordeuropa in den Juli fällt, erscheint sie öfters an der Oberfläche des Wassers, insbesondere an seichten, mit Pflanzen bewachsenen Stellen, tummelt sich hier in Scharen umher, schnattert, mit den Lippen schmatzend, an der Oberfläche, jagt und spielt, bis das Eierlegen beginnt.

Nach angestellten Untersuchungen legt der Roggener gegen einhunderttausend Eier, also verhältnismäßig wenige; gleichwohl vermehrt sich die Karausche sehr bedeutend, erzeugt auch regelmäßig Blendlinge mit dem Karpfen und wird deshalb, und weil sie der jungen Karpfenbrut nachstellt, schon seit alter Zeit gemieden. »In den Fischeten«, sagt Geßner, »ist der Karaß gantz schädlich, dann auch ein kleiner vertreibt und verjagt den allergrösten Karpffen, welches denselbigen Leuthen wol bewußt, haben grossen fleiß, daß keine in die Gruben vnd Weyer geworffen werden.« Die Brut wächst langsam, ist jedoch im zweiten Lebensjahre bereits fortpflanzungsfähig und erreicht eine Lebensdauer von sechs bis zehn Jahren.

Für die Teichwirtschaft hat die Karausche, von welcher das Kilogramm in Deutschland mit zwanzig Pfennigen bis zu anderthalb Mark bezahlt wird, nur in solchen Gegenden Bedeutung, wo die Gewässer für die Karpfenzucht zu moderig sind. Solches Wasser schadet dem Geschmacke ihres Fleisches nicht, wogegen es das des Karpfens fast ungenießbar macht. Außerdem läßt sie sich mit Erfolg in Forellenteichen züchten, weil sie diesen edlen Raubfischen, deren hoher Werth mit dem ihrigen in keinem Verhältnisse steht, zur Nahrung dient, also mittelbar gut verwerthet werden kann. Ihre außerordentliche Lebenszähigkeit gestattet weiten Versandt zu jeder Jahreszeit. Sie lebt stundenlang außer Wasser und läßt sich, in Schnee gepackt oder mit feuchten Blättern umhüllt, weit versenden. Sehr geschätzt ist die Karausche in Rußland, woselbst sie alle Gewässer der Steppen in zahlreicher Menge bevölkert. In der Umgegend von Jakutsk fischt man hauptsächlich im Winter mit Netzen unter dem aufgehauenen Eise, sucht die größten Karauschen heraus und wirft die übrigen wieder ins Wasser zurück, um Nachzucht zu ermöglichen.

Der alte Kämpfer spricht zuerst von einem rothen, am Schwanze schön goldgelben Zierfische, dem King-Jo, welcher in Japan und China in Teichen gehalten und gewissermaßen als Hausthier betrachtet wird. Du Halde berichtet in seiner Geschichte Chinas später ausführlich über denselben. Die Fürsten und Großen des Himmlischen Reiches lassen in ihren Gärten für ihn eigene Teiche graben oder halten ihn in prachtvollen Porzellanvasen, welche zwei- bis dreimal wöchentlich mit frischem Wasser angefüllt werden. Mit dem Ansehen der artigen Bewegungen, mit der Fütterung und Zähmung dieser Fische verbringen die langzopfigen Herren viele Zeit in einer für sie höchst angenehmen Weise, wie denn überhaupt die Chinesen warme Thierfreunde sind.

[268] Der King-Jo, unser Gold- oder Silberfisch, gelangte von China aus wahrscheinlich zuerst nach Portugal und verbreitete sich, nachdem er hier sich eingebürgert, allgemach weiter über Europa. Das Jahr der Einführung wird verschieden angegeben. Einzelne Schriftsteller nennen 1611, andere 1691, wieder andere 1728. Gewiß ist, daß das Fischchen zur Zeit der berüchtigten Pompadour bereits in Frankreich vorhanden war, weil bestimmte Angaben vorliegen, daß man ihr Goldfischchen als etwas außerordentliches schenkte. In England soll der Goldfisch erst im Jahre 1728 durch Philipp Worth eingebürgert worden sein. Gegenwärtig hat er sich über die ganze Erde verbreitet, so weit dieselbe von gebildeten Menschen bewohnt wird, und in den warmen Theilen des gemäßigten Gürtels wirklich heimisch gemacht. Auf der Insel Mauritius durch die Franzosen eingeführt, belebt er dort gegenwärtig alle Flüsse, Teiche und Seen, und genau ebenso soll er in Portugal als verwilderter Fisch vorkommen. Gezüchtet wird er in bedeutender Anzahl, namentlich im südlichen und westlichen Frankreich, unter anderem in der Umgegend von Havre, von wo aus ein großer Theil Englands fast ausschließlich versorgt wird, gegenwärtig auch hier und da in Deutschland, insbesondere im Mohrunger, Königsberger, Nimptscher, Hirschberger und Liebenwerdaer Kreise des Königreiches Preußen sowie in Oldenburg durch Christian Wagner, welcher alljährlich gegen dreimalhunderttausend Stück in den Handel bringt und besondere Zuchtrassen erzielt hat. Die Zucht geschieht im allgemeinen ebenso wie die des Karpfens, nur daß sie mehr und kleinere Teiche benöthigt und strengere Aufsicht erfordert. Durch geschickte Behandlung bringt man die Goldfische dahin, im Laufe des Sommers drei-, selbst viermal zu laichen, sehr frühzeitig sich zu färben und ihre Färbung innerhalb gewisser Grenzen zu verändern. Glückliche Zucht bringt in jedem Falle mehr ein als Karpfenzucht. Mit der Verbreitung des Goldfisches wächst die Liebhaberei für denselben, und wenn auch der Großflosser geeignet erscheint, ihm nach und nach die Gunst vieler Liebhaber zu schmälern, gewinnt seine Schönheit ihm wiederum neue Freunde, so daß seine Zucht auch fernerhin sich als lohnend erweisen und daher zur Nachahmung empfehlen dürfte.

Im Zimmer hält man den Goldfisch gewöhnlich in halbkugeligen Gläsern, besser aber in größeren Glasbecken, welche reichlich mit Wasserpflanzen ausgestattet und ausgeschmückt wurden. Als Futter wirft man täglich einige zerriebene Ameisenpuppen, Semmelkrumen oder Oblatenstückchen ins Wasser, darf jedoch des guten nicht zu viel thun, weil das wenige Wasser, welches ein Goldfischchenglas enthält, ohnehin bald so schlecht wird, daß minder begehrliche und zärtlichere Fische unmöglich in ihm aushalten würden, Uebermaß an Futter aber einen selbst den Goldfischen unerträglichen Schleim erzeugt. Um die Fische längere Zeit am Leben zu erhalten, ist es unbedingt nothwendig, das Wasser von Zeit zu Zeit zu wechseln und täglich mehrmals mittels eines kleinen, mit einer feinen Spitze versehenen Blasebalges Luft ins Wasser zu treiben. Letzteres ist in einem größeren, mit Pflanzen bestandenen Becken aus dem Grunde nicht so nöthig, weil die Pflanzen selbst Sauerstoff absondern. Vor Berührung oder Störung der Fische muß man sich übrigens hüten, weil sie solche nicht vertragen; auch empfiehlt es sich sehr, in einem Glase mindestens zwei oder drei, in einem größeren Becken mehrere von ihnen zusammenzuhalten, weil sie Geselligkeit lieben und den Verlust gewohnter Gefährten gewöhnlich nicht lange überleben. Bei sorgfältiger Pflege gewöhnen sie sich bald an den Gebieter, und wenn dieser sonst geschickt ist, kann er sie ebenso weit bringen wie die Chinesen die ihrigen, daß sie das vorgehaltene Futter aus der Hand nehmen oder, wenn sie in größeren Becken, Springbrunnen, kleinen Teichen gehalten werden, auf ein Zeichen mit der Glocke herbeikommen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 267-269.
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