Rapfen (Aspius rapax)

[288] So harmlose Fische die Karpfen im allgemeinen sind: einzelne Räuber gibt es doch unter ihnen. Ein solcher ist der Rapfen, auch Rappe, Raape, Raapen, Schied, Schitt, Schütt, Schieg, Schick, Zalat, Salat, Selat, Mülpe, Mäusebeißer und Rothschiedel geheißen (Aspius rapax und vulgaris, Cyprinus as pius, rapax und taeniatus, Abramis und Leuciscus aspius; Abbildung auf Seite 285), Vertreter einer gleichnamigen, artenarmen Sippe. Seine Kennzeichen liegen in dem gestreckten, seitlich etwas zusammengedrückten Leibe, der nach oben gerichteten Mundöffnung, dem vorstehenden Unterkiefer, welcher ebenfalls in eine Vertiefung der Zwischenkiefer eingreift, der kurzen, hinter den Bauchflossen beginnenden Afterflosse, den kleinen Schuppen und den in zwei Reihen zu drei und fünf stehenden Schlundzähnen mit kegelförmig verlängerten, hakenförmig umgebogenen Kronen ohne Einkerbung. An Länge erreicht der Rapfen regelmäßig sechzig bis siebzig Centimeter, an Gewicht bis sechs Kilogramm. Der Rücken ist schwarzblau, die Seite bläulichweiß, der Bauch reinweiß; Rücken- und Schwanzflosse sehen blau aus, die übrigen Flossen haben röthlichen Anflug. Es spannen die Rückenflosse vier und acht oder neun, die Afterflosse drei und vierzehn, die Schwanzflosse neunzehn Strahlen.

Von Mitteleuropa an bis gegen Lappland hin hat man diesen Fisch in allen größeren Flüssen und Seen des Festlandes beobachtet; in Großbritannien dagegen scheint er gänzlich zu fehlen. Er bewohnt die bayrischen und österreichischen Seen in namhafter Menge, ist in der Donau häufig, kommt in ganz Norddeutschland vor und verbreitet sich von hier aus östlich bis nach Rußland, in dessen Gewässern er zuweilen eine riesige Größe erreicht. Reines, jedoch langsam fließendes Wasser beherbergt ihn regelmäßig, weil seine Nahrung ebensowohl in pflanzlichen Stoffen und Kleingethier wie in Fischen besteht. Die Lauben sollen von ihm oft heimgesucht und so heftig verfolgt werden, daß sie sich auf das Ufer zu retten suchen und er selbst in blinder Wuth dabei aufs Trockene geräth. Gegen die Laichzeit hin, welche in die Monate April und Mai fällt, jedoch auch bereits im Märzbeginnen und bis zum Juni währen kann, beginnt auch er zu wandern, indem er aus den Seen in die Flüsse aufsteigt oder wenigstens von der Tiefe aus seichtere Stellen aufsucht. Die männlichen Rapfen zeigen dann ebenfalls einen Hautausschlag, welcher aus kleinen halbkugelförmigen Körnern besteht und hauptsächlich den Rücken, die Unterkieferäste, die Wangen, die Kiemendeckel, den Hinterrand der Rückenschuppen und die freie Fläche der Schwanzschuppen bedeckt. Das Laichen geschieht in Herden und währt, wie die Fischer sagen, drei Tage lang. Er wächst schnell heran, hat aber ein zartes Leben und läßt sich deshalb nicht versetzen.

Der Fang wird mit Netz und Angel betrieben und liefert namentlich zur Laichzeit reiche Ausbeute, weil sich der Rapfen dann minder furchtsam zeigt als sonst. Auch behauptet man, daß [288] während der Fort pflanzungszeit das weiße und schmackhafte Fleisch nicht so leicht beim Kochen zerfalle, wie dies außerdem geschieht, wenn man die Fische nicht mit kaltem Wasser aufsetzt. Je nach der Oertlichkeit bezahlt man das Kilogramm dieses Fleisches mit vierzig Pfennigen bis zu einer Mark.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 288-289.
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