Sprotte (Clupea Sprattus)

[314] Der nächste Verwandte des Härings, welcher in den deutschen Meeren lebt, ist die Sprotte oder der Breitling (Clupea Sprattus, quadriuncialis, macrocephala und Schoneveldii, Harengula Sprattus, Spratella vulgaris, Meletta vulgaris; Abbildung auf Seite 308), ein Fisch von etwa funfzehn Centimeter Länge. Der gekielte Bauch ist deutlich gezähnelt, der Rücken dunkelblau mit grünem Schimmer, der übrige Leib silberweiß gefärbt; Rücken- und Schwanzflosse sehen dunkel, Brust-, Bauch- und Afterflosse weiß aus. In ersterer zählt man siebzehn, in der Brustflosse funfzehn, in der Bauchflosse sieben, in der Afterflosse achtzehn, in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen. Die Wirbelsäule besteht aus achtundvierzig Wirbeln.

Obschon die Bedeutung der Sprotte für den menschlichen Haushalt weit geringer ist als die des Härings, gehört sie doch zu den wichtigsten Fischen der Nord- und Ostsee, deren Küsten sie in zahlreicher Menge bevölkert. In ihrer Lebensweise ähnelt sie dem Häringe, herbergt wie dieser in bedeutenden Tiefen und erscheint alljährlich in unermeßlichen Scharen in der Nähe der Küste oder in seichterem Wasser. Dieses Auftreten hängt jedoch nicht mit der Laichzeit zusammen, weil man nur selten solche fängt, bei denen der Laich in voller Entwickelung ist: ein Umstand, welcher die Ansicht der Fischer unterstützt, daß die Sprotte nur ein junger Häring sei. Dies ist nun wohl unrichtig; dagegen unterliegt es keinem Zweifel, daß gelegentlich der Sprottenfischerei wirklich hunderttausende und Millionen von jungen Häringen gefangen, die Ausbeute an Häringen also sehr beeinträchtigt wird.

Zum Fange wendet man feinmaschige Netze an, in denen sich alle Fische von geringer Größe verstricken; was aber einmal in die Maschen gerathen ist, wird auch unter dem Namen Sprotten mit verkauft, und sei es, wie in England oft geschehen, als Dünger für die Felder. An der britischen Küste beschäftigen sich während des Winters gewöhnlich vier- bis fünfhundert Boote mit dieser Fischerei; viele tausend Tonnen werden gefangen und zu funfzig oder sechzig Pfennigen unseres Geldes für den Scheffel verkauft. Im Winter von 1829 auf 1830 waren die Sprotten in solcher Menge vorhanden, daß das gefräßige London nur den geringsten Theil des Fanges bewältigen konnte und tausende und hunderttausende von Scheffeln auf die Aecker geworfen werden mußten. Eine derartige Verheerung ist wohl geeignet, die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen; denn wenn auch, die Artselbständigkeit der Sprotte vorausgesetzt, unter den Milliarden der in solcher Weise gefangenen Fische sich nur Millionen von jungen Häringen befinden, so trägt deren Verlust mit der Zeit doch wesentlich zur Verarmung der Fischgründe bei. Auch an unseren Küsten, insbesondere an denen der Ostsee, werden alljährlich viele, bei Eckernförde allein durchschnittlich etwa sechzehn Millionen Sprotten gefangen, meist geräuchert und dann unter dem Namen »Kieler Sprotten« in alle Welt versendet, wogegen man denselben Fisch in Norwegen einmacht und unter dem Namen »Anchovis« in den Handel bringt. Das Kilogramm frischgefangener Sprotten werthet an Ort und Stelle nur wenige Pfennige.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 314-315.
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