Rauher Schmied (Athous hirtus)

[101] Der rauhe Schmied (Athous hirtus) gehört einer namentlich in den kalten und gemäßigten Strichen der nördlichen Halbkugel vertretenen Gattung an und ist eine unserer gemeinsten Arten, welche oft in größeren Mengen auf den blühenden Dolden der Wiesen, Weidenheger und Feldraine während des Sommers angetroffen wird. Er saugt dort Honig, fliegt unter Mittag und des Nachmittags bei Sonnenschein nach anderen Weideplätzen und ist ein vollkommen harmloser Käfer von durchschnittlich 13 Millimeter Länge bei 4,5 Millimeter Breite. Seine Stirn begrenzt ein erhabener, scharf abgesetzter Vorderrand; jedes der mittleren Glieder an den Fühlern ist ebenso lang wie breit und dreieckig, das zweite kürzer als das dritte; das Halsschild ist länger als breit, in der Mitte etwas erweitert, vor den mäßig heraustretenden und spitzen Hinterecken ein wenig eingezogen und gleichmäßig fein punktirt; die kaum breiteren, seicht gestreiften und fein punktirten Flügeldecken runden sich hinten gemeinschaftlich ab. Die Vorderbrust erweitert sich mäßig nach vorn und bleibt ohne Fühlerfurche. Die Hüften der Hinterbeine erweitern sich allmählich nach innen, Füße und Fußklauen sind einfach, das erste Glied ist so lang wie die beiden folgenden zusammen. Der Glanz des schwarzen Körpers wird durch die graue Behaarung etwas gebrochen, es kommen indeß auch Stücke mit braunen Flügeldecken zwischen den schwarzen nicht selten vor.

Die Larve des rauhen Schnellkäfers läßt sich nicht, gleich ihm, als harmlos bezeichnen, weil sie, wenn in größeren Mengen an einer Stelle vorkommend, unseren Kulturpflanzen merklichen Schaden zufügt. Sie hat den wurmförmigen Bau aller bekannten Schnellkäferlarven, den charakteristischen Kopf mit den drei langen Vierecken auf der Unterseite, die sechs kurzen Brustbeine und eine derbe röthlichgelbe Chitinbekleidung, wie sich dies alles bei der S. 104 abgebildeten Larve des Saatschnellkäfers wiederfindet, ist aber im Vergleiche zu dieser kräftiger, entschieden etwas platt gedrückt und mit vereinzelten Borstenhaaren besetzt. Der erste der zwölf Körperringe erreicht die doppelte Länge jedes der unter sich gleichen übrigen Ringe; über alle zwölf läuft ein feiner Längseinschnitt in der Rückenmitte. Das letzte, sich kaum verschmälernde Glied ist an den Seiten gekerbt, auf seiner Rückenfläche platt gedrückt und durch seichte Runzeln uneben, am Hinterrande mehr als halbkreisförmig ausgeschnitten, so daß jederseits des Ausschnittes ein dreizähniger Hornfortsatz gewissermaßen zwei Anhängsel bildet. Zwei Zähne jedes dieser viereckigen Anhängsel stehen nebeneinander, während der dritte über dem inneren stehende sich nach oben richtet. Diese drei Zähne pflegen sammt den stumpfen Hervorragungen an den gekerbten und leistenartigen Seiten des Gliedes braun gefärbt zu sein. Der flach gedrückte Bauch liegt etwas tiefer als die leistenartig an ihm lang laufenden Ränder der Rückenschilde, in deren Falten sich die Luftlöcher verstecken, und wird auf dem letzten Gliede von einem die Seitenleisten verbindenden Bogenleistchen eingefaßt. Innerhalb dieser Bogenleiste und dem Vorderrande des Endgliedes öffnet sich der After, welchen [101] die Larve zapfenartig ausstülpen kann und beim Kriechen zum Nachschieben benutzt. Diese an dem soeben beschriebenen Endgliede leicht kenntliche Larve lebt nach Candèze's Erfahrungen hinter der Rinde abgestorbener Bäume, nach den meinigen auch wie diejenige des Saatschnellkäfers in der Erde an verschiedenen Pflanzen, namentlich, wie auch von anderen beobachtet worden, an den Zuckerrüben. Wenn sie, wie der Engerling, den Bart und die Spitze der jungen Rübe benagt, so fängt die Pflanze an zu kränkeln, die Rübe bleibt im Wuchse zurück und verliert wesentlich an Zuckergehalt. Die Schädlichkeit dieser Larve, welche mit den nächsten Verwandten unter dem gemeinsamen Namen »Drahtwurm« bei den Landwirten bekannt ist, liegt mithin auf der Hand. Ueber ihre Lebensdauer vermag ich sicheres nicht anzugeben; entschieden erstreckt sich dieselbe auf mehrere Jahre, wie von allen anderen angenommen wird.

Das reiche Mittel- und Südamerika erzeugt in seinen heißen Strichen ungefähr hundert Arten von Schnellkäfern, welche neben der Familieneigenthümlichkeit noch die wunderbare Kraft besitzen, wie die Johanniswürmchen im Dunkeln zu leuchten. Man erkennt die großen oder mittelgroßen »Feuerfliegen«, welche meist düster braun gefärbt, dicht graugelb behaart und der Gattung Pyrophorus zugetheilt worden sind, leicht an einem etwas aufgetriebenen, wachsgelben Flecke in der Nähe jeder Hinterecke des Halsschildes, von welchem aus sich im Leben das magische Licht verbreitet. Die Stirn ist abgestutzt oder abgerundet mit dickem Vorderrande, aber keiner Querleiste versehen; die Augen sind sehr groß, die Fühler vom vierten Gliede ab oder auch gar nicht gesägt. Das quere Halsschild ist meist polsterartig gewölbt und in den Hinterecken zu einer mehr oder weniger kräftigen Stachelspitze ausgezogen. Die Füße sind zusammengedrückt, fadenförmig und unterhalb behaart.

Daß Insekten, welche Mutter Natur mit so hervorragenden Eigenschaften ausgerüstet hat, wie die eben erwähnte »Feuerfliege«, die Aufmerksamkeit und Bewunderung derjenigen Menschen auf sich lenken mußte, die nicht mit den Augen eines heutigen Forschers dergleichen Dinge betrachten, darf nicht Wunder nehmen. Wir finden daher schon bei Moufet (1634) eine große Art leidlich abgebildet und beschrieben. Er nennt den Käfer Cicindela, griechisch Kephalolampis, weil er sein Licht nicht aus dem Schwanze, sondern von dem Kopfe aussende, und erzählt, was er in den Reiseberichten des Oviedus über ihn gefunden hat, wie folgt: »Der Cocujo, viermal größer als unsere fliegende Art (er hat vorher den Leuchtkäfer Lampyris auch als eine Cicindela abgehandelt), gehört zum Geschlechte der Käfer (scarabeorum). Seine Augen leuchten wie eine Laterne, durch deren Schein die Luft so erhellt wird, daß jeder im Zimmer lesen, schreiben und andere Verrichtungen vornehmen kann. Mehrere vereinigt geben ein weit helleres Licht, so daß eine Gesellschaft in finsterer Nacht unangefochten einen beliebigen Weg zurücklegen kann, allein bei diesem Lichte, welches weder der Wind wegwehen, noch die Finsternis verdunkeln, noch Nebel oder Regen auslöschen können. Mit ausgebreiteten Flügeln glänzen sie ebenso mit hellem Lichte nach ihrem Hintertheile zu. Die Ureinwohner bedienten sich vor Ankunft der Spanier keines anderen Lichtes, weder in den Häusern noch im Freien. Die Spanier aber brauchen Fackel- und Lampenlicht zu ihren häuslichen Geschäften, weil jener Glanz mit dem Leben des lichtverbreitenden Thieres allmählich schwindet. Wenn sie aber des Nachts ins Freie gehen müssen oder mit einem eben erst angelandeten Feinde zu kämpfen haben, durchsuchen sie nur mit Hülfe dieser Käfer den Weg und, indem ein Soldat vier Cocujos trägt, täuschen sie den Feind mannigfach. Denn als der edle Thomas Candisius und der Ritter Robert Dudley, der Sohn des berühmten Robert, Grafen von Leicester, die westindische Küste zuerst betraten und in der Nacht ihrer Ankunft im benachbarten Walde unzählige Lichter, wie von brennenden Fackeln, unerwartet herannahen sahen: kehrten sie schnell zu ihren Schiffen zurück, in der Meinung, daß die Spanier mit Kanonen und brennenden Lunden unvermuthet im Hinterhalte lägen. Es finden sich daselbst mehrere Insekten dieser Gattung, aber weil der Cocujo unter allen den Vorrang hat, übergeht Oviedus die übrigen mit Stillschweigen. Die Indier pflegen Gesicht und Brust mit einer aus diesen Thieren bereiteten [102] Salbe einzureiben, damit sie anderen gleichsam als feurige Personen erscheinen. Wie dies möglich, läßt sich nicht einsehen, da ja mit dem Leben des Käfers auch die Leuchtkraft schwindet, es sei denn, daß kurz nach dem Tode der Glanz noch andauert, daß er aber nicht lange bestehen könne, ist sicher.

Da die Indier sie in dem Grade benutzen, daß sie ohne dieselben weder sicher vor den nächtlichen Mücken (welche sie mit demselben Eifer jagen wie die Schwalben die Fliegen) schlafen, noch ohne diese natürlichen Leuchten ihre nächtlichen Arbeiten verrichten könnten, so haben sie verschiedene Fangweisen ausgesonnen, welche ich theils nach Peter Martyr, theils nach Augenzeugen dem Leser mittheilen will. Weil sie durch den Mangel des Lichtes alle Nächte unthätig dazuliegen genöthigt sind, gehen die Indier mit einem brennenden Scheite aus, und mit lauter Stimme Cucuje, Cucuje rufend, durchschlagen sie mit jenem derartig die Luft, daß die Käfer entweder aus Vorliebe für das Licht herbeifliegen, oder aus Furcht vor Kälte zur Erde fallen; diese halten die einen durch Zweige und Tücher zurück, die anderen behandeln sie mit eigens dazu angefertigten Netzen, bis sie sich mit den Händen greifen lassen.

Es gibt dort auch noch andere fliegende Thierchen, welche bei Nacht leuchten, sie sind aber viel größer als unsere heimischen und strahlen ein weit helleres Licht aus. Sie leuchten nämlich so hell, daß diejenigen, welche eine Reise unternehmen, diese Cicindelen lebend mit einer gewissen Kunst sich an den Köpfen und Beinen schwebend anheften; denn so werden sie aus der Entfernung gesehen, so schrecken sie die der Sache nicht Kundigen zurück. Die Weiber bedienen sich keines anderen Lichtes bei ihren häuslichen Arbeiten zur Nachtzeit«.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 101-103.
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