Sippe: Coccinellinen

[192] Die Kugelkäfer, Marienkäferchen (Coccinellidae) bilden die letzte Käferfamilie, ausgezeichnet durch die geringste Anzahl der Fußglieder, deren wenigstens an den Hinterbeinen nur drei vorhanden sind, weshalb sie auch in einer nur die Fußglieder ins Auge fassenden Anordnung Dreizeher (Trimera) genannt worden sind.

Zu der Zeit, wenn sich die Natur zu ihrem allgemeinen Winterschlafe anschickt, an Baum und Strauch die noch vorhandenen Blätter durch ihre Färbung sich als halb todte Werkzeuge zu erkennen geben und die kleinen und kleinsten Wesen sich beeilen, eine gute Schlafstelle zu bekommen, findet man schwerlich ein etwas zusammengerolltes, trockenes Blatt, in dessen Höhlung nicht wenigstens drei, vier, fünf rothe Käferchen mit schwarzen Rückenpunkten oder schwarze mit hellen Fleckchen säßen, in der Erwartung, mit jenen herunterzufallen und unter dem nachfolgenden Laube begraben zu werden. Gedrängt sitzen andere an den äußersten Spitzen der jungen Kiefern, zwischen die Nadeln geklemmt, oder hinter losgerissenen Rindenstücken einer alten Eiche aufmarschirt, oder versammelt unter einer Graskaupe an dem nach Morgen gelegenen Hange eines Grabens; in der letzten Weise findet man besonders die kleine holzfarbene Micraspis duodecimpunctata, deren schwarznähtige Flügeldecken zahlreiche schwarze Fleckchen besäen; die ovalen Thierchen liegen gedrängt neben einander, wie ein Häuflein Samenkerne. Wir sehen sie jetzt sich so massenhaft in ihren Verstecken für den Winter sammeln; einzeln begegnen sie uns während desselben in unseren Zimmern, und den ganzen Sommer hindurch überall im Freien, aber stets am zahlreichsten da, wo Blattläuse, jene grünen oder braunen oder schwarzen kleinen Ungethüme, hausen und die Pflanzen aussaugen; denn von ihnen ernähren sie sich fast alle, erfolgreicher noch ihre gefräßigen Larven. Die dem Volksmunde geläufigen Namen für sie, wie Sonnenkäfer, Herrgotts-Kühlein, Sonnenkälbchen, Gottesschäflein, Marienwürmchen, lady-birds, vaches à Dieu und andere, beweisen ihre Volksthümlichkeit, und ihre oben erwähnte Liebhaberei fordert in dankbarer Erinnerung an ihre Nützlichkeit zu ihrer möglichsten Pflege auf. Obschon der halbeiförmige oder [192] halbkugelige, vollkommen geschlossene Körper die Marienkäferchen kaum verkennen läßt, so haben wir uns doch auch nach den anderen Merkmalen der ganzen Familie umzusehen. Der kurze Kopf ragt wenig aus dem Halsschilde hervor, und sein Schild setzt sich nicht deutlich von der Stirne ab; die kurzen, schwach keulenförmigen Fühler sind vor den Augen, unter dem Seitenrande des Kopfes, eingelenkt und meist versteckt, weil sie hinter den Seitenrand des glatten, nicht gefurchten Halsschildes zurückgeschlagen werden können. Die Kiefertaster enden beilförmig, weshalb die Familie von Mulsant als die der Securipalpen bezeichnet worden ist. Die Hüftblätter der Mittelbrust sind dreieckig, die queren und walzigen Vorderhüften bewegen sich in hinten geschlossenen Pfannen, die Mittel-und Hinterschenkel lassen sich in Gruben zurückziehen und ebenso ihre Schienen in eine Furche der Schenkel; die Fußklauen sind meist gezähnt oder an der Spitze gespalten. Der Hinterleib zeigt fünf freie Ringe, deren vorderster sich zwischen die Hinterhüften bald schmäler, bald breiter gegen die Hinterbrust fortsetzt und in seinem fein leistenartigen Rande gute Merkmale abgibt für die zahlreichen Gattungen, in welche die ursprüngliche (Coccinella) zerlegt worden ist.

Die gestreckten, oft stark bewarzten Larven gleichen in ihrer äußeren Erscheinung, durch die dreigliederigen Fühler, drei bis vier Augen jederseits, durch die infolge der langen Schenkel und Schienen breit vom Körper abstehenden Beine sehr den Larven der Chrysomelen. Ihre gewandteren, durch die andere Lebensweise bedingten Bewegungen und die buntere Färbung unterscheiden sie jedoch leicht von jenen, ohne daß man nöthig hätte, sie erst mit der Lupe zu betrachten. Die Coccinellen verbreiten sich in ungefähr tausend Arten über die ganze Erde, erweisen sich, wie bereits erwähnt, als Blattlausfresser sehr nützlich, nur die meist behaarten Arten zweier Gattungen (Epilachna, Lasia) hat man neuerdings sammt ihren Larven als Pflanzenfresser kennen gelernt. Noch mag von ihnen bemerkt sein, daß sie bei der Berührung mit den Fingern Fühler und Beine einziehen und einen gelben, übelriechenden Saft aus den Körperseiten ausgehen lassen, sicher ein Schutzmittel für sie, wie für die übrigen sonst wehrlosen Kerfe, denen die Natur ein gleiches Vermögen auf den kurzen Lebensweg mitgegeben hat.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 192-193.
Lizenz:
Kategorien: