Futtergraseule (Neuronia popularis)

[408] Zwei sehr hübsche Eulen, welche in Farbe und Zeichnung wesentlich auseinander gehen, stimmen in ihren Raupen und deren Lebensweise in dem Grade mit einander überein, daß es ungemein schwer wird, sie dann von einander zu unterscheiden, wenn man sie beide zugleich vor sich sieht. Beide haben schon bedeutenden Schaden an den Wiesengräsern angerichtet, von welchen sie sich ernähren, und zwar in sehr verschwenderischer Weise. Sie beginnen nämlich am Grunde des Blattes, dessen Spitze bald verwelkt und ihren Hunger dann nicht mehr stillen kann. Die eine ist die Lölch- oder Futtergras-Eule (Neuronia popularis oder lolii, Fig. 1) und wurde wegen ihres langhaarigen Brustkastens früher den Spinnern beigesellt, zu denen sie trotz der stark gekämmten männlichen Fühler aber nicht gehört. Ihre schön rothbraunen Vorderflügel schimmern pfirsichblütenroth und fallen durch die gelblichweiße Beschuppung aller Rippen, der Wellenlinie und der drei Eulenflecke, wie wir aus unserer Abbildung ersehen, in einer Weise auf, welche sie mit keiner anderen Art verwechseln läßt. Der Kopf und schopflose Mittelrücken sind braun und weiß gemischt, die trübweißen Hinterflügel vor dem Saume gebräunt. Das Weibchen übertrifft das Männchen etwas an Größe und hat eine lang vorstreckbare Legröhre, mit welcher es im August oder September seine zahlreichen Eier tief am Grunde der Graspflanzen unterbringen kann. Aus diesen schlüpfen die Räupchen noch vor Winter aus und durchschlafen denselben je nach dem Herbstwetter in verschiedener Größe. Anfangs Juni habe ich dieselben in hiesiger Gegend fast erwachsen und immer nur einzeln unter Steinen gefunden, wo sie in der hier abgebildeten Stellung ruhen. Der feiste Körper glänzt bronzebraun auf der durch die schwarzen Luftlöcher begrenzten oberen Seite und wird von drei lichten Längslinien durchzogen, welche auf dem Nackenschilde beginnen und sich am Ende der Afterklappe vereinigen; zwischen den beiden äußeren dieser Linien und den Luftlöchern bemerkt man noch eine weniger reine und mehrfach unterbrochene Linie. Ihre Verpuppung erfolgt gleichfalls unter Steinen. Des Nachts kommt sie hervor und befrißt in der angegebenen Weise die Gräser ihrer Nachbarschaft, am liebsten das Queckengras (Triticum repens); mit Lölch (Lolium temulentum), von welchem sie den Namen hat, konnte ich sie nicht erziehen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 408.
Lizenz:
Kategorien: