Kiefernspanner (Bupalus piniarius)

[420] Der Kiefern- oder Föhrenspanner (Bupalus piniarius) weiß die Zeit seines Erscheinens besser zu wählen als die vorigen, und kann auch von allen denen nicht unbeachtet bleiben, welche an einem warmen Junitage zwischen Kieferbäumen dahin wandeln, und sei es nur, um die würzige Luft des Nadelwaldes in vollen Zügen zu genießen. Denn in wankenden, immerhin aber hastigen und wilden Bewegungen fliegen Männchen und Weibchen zwischen den Stämmen und Nadeln der Föhren umher. In kurzen Umflügen von den Nadeln nach den Stämmen, hier und da mit aufrechten und zusammengeklappten Flügeln zeitweilig ausruhend, auch hier die Männchen nur größere Lebhaftigkeit an den Tag legend als die Weibchen, vertreiben sich diese Spanner die Zeit, bis sich die Pärchen zusammengefunden haben. Als ich vor mehreren Jahren an einem gewitterschwülen Junitage nach warmem Regen durch einen Kiefernwald streifte, und ihre Zahl, wie manchmal zum Leidwesen des Forstmannes, eine sehr bedeutende war, umflatterten sie mich zu [420] hunderten, rannten mir in das Gesicht, saßen auf dem Wege, so daß man jederzeit einen zu zertreten fürchten mußte, und trieben sich paarweise an den Stämmen umher. Wir erblicken hier das Männchen in seinen lichten und veränderlichen Flecken- und Strahlenzeichnungen auf schwarzbraunem Grunde ausgebreitet; diese haben auf der Oberseite eine strohgelbe, auf der Rückseite eine mehr rein weiße Farbe. Bei dem noch mehr veränderlichen Weibchen wechseln in ähnlicher Weise düsteres Rothgelb mit Rothbraun, so jedoch, daß einmal die eine, das andere Mal die andere der beiden Farben vorwaltet. Eine Anhangszelle im Vorderflügel, eine Vorderrandsrippe im Hinterflügel, welche aus der Wurzel selbst entspringt, eine flach anliegend beschuppte Stirn, kurze Beine, besonders Hinterschienen und ein Flügelschnitt, wie wir ihn vor uns sehen, charakterisiren die Gattung. Hoch oben in die Krone der Kiefern legt das Weibchen die Eier an die Nadeln, und im Juli kriechen die Räupchen aus denselben hervor, ihr Fraß aber wird, wenn sie in Menge da sind, erst im August bemerkbar. Im September hängen sie sich gleich Spinnen an Fäden auf und kommen bis zur halben Höhe herab, wie es scheint, nur zum Vergnügen, denn sie arbeiten sich wieder empor, bis sie im Oktober, einzelne auch erst im November, nach erlangter Reife in derselben Weise oder zu Fuße ganz herab kommen, um sich im Bereiche des Baumes unter Moos oder Streu zu verpuppen. Die sehr schlanke, grüne Raupe hat drei weiße Rücken- und zwei gelbe Seitenlinien, welche sich über den Kopf fortsetzen. Die anfangs grüne, später mit Ausschluß der Flügelscheiden braun werdende Puppe endigt in eine zweitheilige Spitze und überwintert.


Kiefernspanner (Bupalus piniarius), 1 Männchen, 2 Weibchen und Raupe. 3 Spießband (Larentia hastata) nebst Raupe. Alle in natürlicher Größe.
Kiefernspanner (Bupalus piniarius), 1 Männchen, 2 Weibchen und Raupe. 3 Spießband (Larentia hastata) nebst Raupe. Alle in natürlicher Größe.

Im nächsten Jahre liefert sie nicht immer den Schmetterling; denn die Raupe hat viele Schlupfwespen als Liebhaber, einige mit der Forleule gemein, da sie im ganzen dieselbe Lebensweise führt; überdies gelangt in Jahren ihrer großen Häufigkeit manche gar nicht zur Verpuppung, weil sie durch einen in ihr wohnenden Pilz (Botrytis) getödtet worden ist.

Die artenreiche Spannergattung Larentia gehört einer Gruppe an, bei deren Gliedern die Vorderrandsrippe im Hinterflügel nicht, wie bei den bisher erwähnten, den kleinen Frostspanner ausgenommen, aus der Wurzel selbst kommt, sondern aus der vorderen Mittelrippe und zwar meist kurz vor der vorderen Ecke der Mittelzelle. Im Vorderflügel kommt eine vollkommen geschlossene Mittelzelle und eine getheilte Anhangszelle vor. Da sich jedoch innerhalb dieser Merkmale noch allerlei Unterschiede im Verlaufe des Flügelgeäders finden, so ist die Gattung je nach der Auffassungsweise des betreffenden Schriftstellers mehrfach getheilt worden, worauf wir unter den gegebenen Verhältnissen keine Rücksicht nehmen können.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 420-421.
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