Sippe: Spanner (Geometridae)

[417] Weil es bei den Schmetterlingen, besonders wenn man die ausländischen nicht gänzlich außer Acht lassen will, überhaupt schwierig wird, die Familien mit wenigen Worten zu kennzeichnen, da Uebergänge nach allen Seiten hin eine scharfe Abgrenzung nicht wohl gestatten, so können auch die Merkmale der Familie der Spanner (Geometridae, Phalaenidae) hier unmöglich in einer allgemeinen Schilderung erschöpft werden. Der dünne Leib der meisten und die breiten Flügel, deren hintere in Färbung den vorderen gewöhnlich gleich, in Zeichnungsanlage wenigstens nahe kommen, erinnern an die Tagschmetterlinge, von denen sie sich jedoch durch die borstigen oder bei manchen Männchen gekämmten Fühler wesentlich unterscheiden. Den Eulen stehen sie in mehr als einer Hinsicht schon ferner; zwar fehlt es nicht an Querbinden auf den Flügeln, wohl aber an den Flecken, statt deren sich die Linien vermehren. Die dickleibigeren, welche nicht selten vorkommen, haben oft große Spinnerähnlichkeit, daher man hier eine größere Menge von Merkmalen zu Hülfe nehmen muß, um einer Verwechselung vorzubeugen. Die Spanner stimmen der Hauptsache nach in folgenden Merkmalen überein. Am kleinen Kopfe, der keine Nebenaugen auf dem Scheitel verbirgt, treten die Taster nur wenig vor, die Zunge dagegen durchläuft die verschiedensten Stufen der Vollkommenheit. Im Vorderflügel zählt man elf oder zwölf Rippen, darunter nur eine des Innenrandes, das Vorkommen von nur zehn gehört zu den Seltenheiten. Dem breiten, kurz befransten Hinterflügel kommen eine Haftborste, höchstens zwei Innenrandsrippen und außerdem noch sechs oder sieben andere zu; von jenen beiden pflegt die erste in der Mitte des Innenrandes, die zweite in den Innenwinkel zu münden. Die Vorderrandsrippe kommt aus der Wurzel und berührt in der Regel die vordere Mittelrippe bald nach ihrem Ursprunge auf einer kurzen Strecke, oder sie entspringt aus ihr selbst, ein Unterschied, welcher die neueren Systematiker veranlaßt hat, zwei Hauptabtheilungen darauf zu gründen. Die meisten Spanner tragen in der Ruhe ihre zarten Flügel etwas ausgebreitet, wenn auch nicht so weit, wie wir sie in Sammlungen sehen; einige halten sie halb geschlossen hoch und einige verbergen ihren Hinterleib dachartig mit denselben. Viele fliegen bei Tage oder lassen sich wenigstens leicht aus Gras und Gebüsch ausscheuchen, in der Nachtzeit zeigen aber die meisten größere Lebendigkeit.

Schärfer als im entwickelten Zustande grenzen sie sich durch die Raupen von den übrigen Familien ab. Daß bei denselben die Bauchfüße außer dem letzten Paare verkümmern und ihr Gang darum ein spannender ist, wurde früher bereits erwähnt. Sie verfügen mithin nur über zehn, in seltenen Fällen über zwölf zum Gehen taugliche Füße und klammern sich in der Ruhe gern mit den Nachschiebern an einen Zweig an, den schlanken Leib steif ausstreckend oder auch schleifenartig krümmend, so daß die ganze Raupe bei der vorwiegend braunen Farbe, welche vielen eigen, einem dürren Aestchen zum Verwechseln ähnlich sieht. Einige wenige heften sich wie Tagfalter mittels einer Schlinge zur Verpuppung an ein Blatt, die meisten jedoch spinnen sich mit einigen Fäden in grüne wie dürre Blätter oder gehen in die Erde. Wenn nur die deutschen Arten berücksichtigt werden, so überwintern vom Hundert 6,5 als Eier, 35 als Raupen, 58 als Puppen und nur 0,5 im vollkommenen Zustande.

Man kennt gegenwärtig ungefähr eintausendachthundert Arten aus allen Welttheilen, deren wenigste eine mittlere Größe überschreiten (Nyctalemon Patroclus aus China ist der Riese derselben). Linné beschrieb die ihm bekannten in der Gruppe »Geometrae« unter der Gattung Phalaena und ließ die Namen sämmtlich auf aria oder ata endigen, je nachdem er ihre Fühler [417] gekämmt oder einfach fadenförmig fand; die neueren Schriftsteller haben wie überall, so auch hier möglichst zahlreiche Gattungsnamen geschaffen. Wir müssen uns auf wenige Arten beschränken, die entweder die wesentlichsten Formen zur Anschauung bringen, oder durch das Auftreten ihrer Raupen allgemeineres Interesse bieten, und werden uns dabei nicht um die wissenschaftliche Anordnung kümmern, sondern eine unseren Zwecken entsprechende Gruppirung wählen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 417-418.
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