Gletschergast (Boreus hiemalis)

[498] Die grillenartige Schnabeljungfer, der Gletschergast (Boreus hiemalis), ein nur 3,37 bis kaum 4,5 Millimeter messendes Wesen, welches die Kälte liebt, denn es kommt vom Oktober bis zum März und sogar bisweilen auf dem Eise der Gletscher vor. Zu dieser Sonderbarkeit in der Erscheinungszeit gesellen sich noch andere in Ansehung des Körperbaues. Zunächst werden die Flügel bei dem Weibchen durch zwei Schuppen, bei dem Männchen durch zwei klauenartige, aufwärts gebogene Anhänge vertreten; sodann verlängern sich die Hinterbeine bedeutend und befähigen zum Springen, weshalb Panzer das Thierchen auch Schnabelgrille (Gryllus proboscideus) genannt hat, und es läßt sich in der That eine gewisse Aehnlichkeit mit einer sehr jungen Grashüpferlarve keineswegs verkennen. Das Weibchen endlich hat eine lange Legröhre; Nebenaugen fehlen. Die metallisch dunkelgrüne Grundfarbe wird an den Beinen, den Flügelstumpfen und an der Legröhre des Weibchens durch ein bräunliches Gelb verdrängt. Vor mehreren Jahren erbeutete ich bei Halle einige Schnabeljungfern in einer sandigen Einsenkung des Theiles unserer Kiefernheide, welcher durch den Kohlenbau vollständig unterminirt ist. Die zwischen Moos lebenden, zur Verpuppung trockene Erde aussuchenden Lärvchen sollen denen der Skorpionfliege sehr ähnlich sein. Eine zweite Art hat man neuerdings im Süden von New York auf Schnee entdeckt und mit dem Namen Boreus nivoriundus belegt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 498.
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