Offene Seemandel (Philine aperta)

[309] Der dritte und letzte, aus dieser Bucht in die Hamburger Aquarien versetzte Deckkiemer ist Philine aperta, die offene Seemandel, einer Gruppe angehörig, wo die Schale gänzlich vom Mantel umhüllt wird, die Seitenränder des Fußes ausgedehnt und verdickt sind und der Kopf fühlerlos ist. Die Art der Ostsee, um welche es sich hier handelt und welche von der norwegischen Küste an bis ins Adriatische Meer gefunden wurde, kommt kriechend ausgestreckt dort bis zwanzig Millimeter lang vor. Die dünne, schwach eingerollte und weitmündige Schale ist milchweiß, etwas durchscheinend und perlmutterglänzend. Diese Eigenschaft, in den schönsten rothen und grünen Interferenzfarben zu glänzen, erhält sie dadurch, daß mit den feinen Anwachsungslinien sich sehr feine, nur mit scharfen Lupen bemerkbare Linien kreuzen, und daß die Schale außerdem von dichtstehenden feinen, nur mit dem Mikroskope bemerkbaren Poren bedeckt ist. Das Thier ist auf dunklem Grunde durchscheinend milchweiß oder gelbweiß mit undurchsichtig weißen Punkten. Gegen Ende Juli legten einige kurz zuvor gefangene Seemandeln Eier. Diese sind in frei liegende, eiförmige, wasserhelle Schleimmassen eingebettet. Im Kieler Busen bewohnt das Thier tiefe, modergründige Stellen; in den Aquarien ist es am Tage fast immer im Schlamme verborgen. Einige größere Exemplare, welche die Beobachter in einem großen Aquarium monatelang nicht gesehen hatten und längst für gestorben und zersetzt hielten, kamen unverhofft wieder zum Vorscheine. Seitdem wurden sie in kleinen Gefäßen, deren Bodensatz leicht zu durchsuchen ist, gehalten. Gewöhnlich sind sie in ihrem Schleim und in Schlamm, der an diesem festhängt, eingehüllt. In der Nacht kriechen sie an der Wand des Aquariums in die Höhe, wenden aber um und verbergen sich wieder unter dem Schlamme, wenn sie beleuchtet werden. Sie sind also, gleich vielen Thieren, welche, wie sie, keine Augen besitzen, mit einem Vermögen der Lichtempfindung ausgestattet. Dies besagt nur, daß gewisse Hautnerven vom Lichte in anderer Weise als vom Dunkel afficirt werden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 309.
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