[430] Trotz des fürchterlichen Aussehens und des scharfen Gebisses sind die Seeigel im allgemeinen sehr harmlose Thiere. Sie sind ungemein träge und scheinen wesentlich nur von den Seegräsern und Tangen und den daran angesiedelten Thieren sich zu nähren. Ich habe die Gewohnheiten des Stein-Seeigels (Echinus saxatilis oder Strongylocentrotus lividus) beobachtet, welcher im ganzen Mittelmeere gemein ist und auch längs der dalmatinischen Küste sich in unzählbaren Scharen in der Nähe des Strandes auf Felsengrund aufhält. Sie suchen theils natürliche Vertiefungen des Bodens auf, theils sind sie im Stande, auf noch nicht ergründete Weise sich in dem Gesteine kreisrunde Löcher auszuhöhlen, ja dieselben derart zu erweitern, daß sie aus dem selbstgegrabenen Gefängnisse nicht wieder heraus können. Wie sie in diesem Falle mit ihrer großen Gefräßigkeit auskommen, weiß ich nicht. Sollten hier doch vielleicht die Pedicellarien als Handlanger dienen? An vielen Stellen ist der Grund von ihnen ganz dunkel. Die meisten der regungslos sich verhaltenden Thiere tragen einige Muschelfragmente, Steine und dergleichen auf dem Rücken, wo sie durch die zunächst befindlichen Saugfüßchen festgehalten werden. Ich nahm ein Exemplar mit auf mein Zimmer, entfernte seine Bürde vom Rücken und setzte ihn in ein weißes mit Meerwasser gefülltes Becken. Er fühlte sich offenbar sehr unbehaglich, suchte sich zu verbergen und bedeckte sich alsbald mit Stücken der Lattich-Ulve und Algen, die ich mit in das Becken gethan. In einer Viertelstunde hatte er sich vollkommen eingehüllt und auch die Muschel, die ich ihm ab genommen, wieder auf seinen Rücken gebracht. Entfernte ich ein größeres Stück der Ulve, so setzte er sich in Bewegung, aber nur, um das verlorene Mantelstück zu suchen, wobei er sehr bedacht war, das was er sich sonst umgehangen hatte, nicht zu verlieren. Ich nahm ihm nun die Muschelschale, die er als ein so werthvolles Gut auf dem Rücken trug, und legte sie ihm in den Weg. Daran angekommen, setzte er die Scheiben einiger Saugfüßchen an und stellte die Schale nach einigen vergeblichen Versuchen, da ihm die Stacheln hinderlich waren, auf die Kante. Nun aber, als dies gelungen, benutzte er mit großer Geschicklichkeit die Stacheln und hob mit ihnen und zog mit den sich ablösenden Saugröhren seinen Besitz binnen wenigen Minuten auf den Rücken.
Beim Kriechen werden, wie gesagt, die Stacheln als Stelzen benutzt, die Saugröhrchen zum Ziehen. Sie können über die Stacheln hervorgestreckt werden, und ein mit vielen Saugröhren vor Anker liegender Seeigel gleicht dem von den Lilliputanern gefesselten und angestrickten Gulliver.
[430] Mein Bootsmann in Lesina, der seit Jahren mich auf meinen dortigen Exkursionen begleitete, konnte vom Boote aus die Männchen und Weibchen des Echinus saxatilis unterscheiden. Die ersteren sind etwas kleiner, dunkler und kugeliger, die Weibchen platter und mehr ins Röthliche violett. Mir wurde die Unterscheidung sehr schwer, mein Gehülfe täuschte sich jedoch nie. Es scheint mir dies die erste Notiz über die äußere Verschiedenheit der Geschlechter zu sein. Eine andere Behauptung meines Fischers begleitete ich zuerst mit dem ungläubigsten Lächeln. Er sagte nämlich, nie würden von den Männchen die Steine und Muschelfragmente auf den Rücken genommen, und richtig, alle die mir vom Boote aus als Männchen bezeichneten Thiere ohne jene Bürde erwiesen sich als Männchen, während ausnahmslos die zahlreichen Stein- und Muschelträger, welche ich aufbrach, dem anderen Geschlechte angehörten.
Es ist nämlich sehr leicht, während der Fortpflanzungszeit, die fast das ganze Jahr hindurch zu dauern scheint, an den geöffneten Thieren das Geschlecht zu erkennen. Die Weibchen haben fünf schöne gelbe traubenförmige Eierstöcke, und diese gewähren als eine nicht unschmackhafte Speise den einzigen Nutzen, den man den Seeigeln nachrühmen kann. Ich bekam den Stein-Seeigel zum erstenmale auf einem französischen Dampfer beim Diner vorgesetzt, und ein regelmäßiger Konsum scheint sich auch nur auf die französischen Mittelmeerküsten zu beschränken. In Marseille allein sollen jährlich 100,000 Dutzend auf den Markt gebracht und das Dutzend zu zwanzig bis sechzig Centimes verkauft werden. Auch die Kabeljaus und Dorsche fressen gern Seeigel, wie Agassiz sagt.