Gruber, Wenzel

Gruber, Wenzel
Gruber, Wenzel

[640] Gruber, Wenzel, Anatom in St. Petersburg, 1814 in Krukanitz in Deutsch-Böhmen geb., erhielt seine erste Erziehung im geistlichen Stifte Tepl bei Marienbad, machte seine Gymnasial- und Universitätsstudien in Prag, wurde, um sogleich die Stelle als Prosektor antreten zu können, zuerst (1842) zum Dr. chir. und später (1844) zum Dr. med. promoviert. Er war Prosektor für normale Anatomie an der Prager Universität 1842 bis 47, vorzugsweise unter Hyrtl, zuletzt unter Bochdalek. Trotz aller Berechtigung konnte er in seinem Vaterlande eine Professur nicht erreichen und so nahm er 1846 eine durch Vermittlung von Pirogoff an ihn ergangene Berufung an die unter des letzteren Leitung stehende medizinische Akademie in St. Petersburg als erster Prosektor für normale praktische und pathologische Anatomie mit der Bedingung an, nach Verlauf von 3 Jahren zugleich das Lehramt der deskriptiven Anatomie zu erhalten. Er trat seine Stelle in St. Petersburg 1847 an, musste sein Fach unter unerhörten Hindernissen betreiben und hatte, da ihm die erwähnte Bedingung nebst anderen, infolge von Intriguen, nicht[640] gehalten wurde, einen Kampf zu bestehen, in dem er sich allgemeine Achtung erwarb. Als nach dem Austritte von Pirogoff aus der Akademie eine eigene Lehrkanzel für pathologische Anatomie kreiert worden war, erhielt er, von 1855 an, die Direktion der praktischen Anatomie, die er bis 1888 geführt hat. Erst 1858 jedoch wurde er zum ord. Professor des Faches ernannt. Nach zurückgelegter 25jähriger Dienstzeit wurde er 1872, 77 und 82 immer auf 5 Jahre wieder gewählt und erhielt bei seinem 35jährigen Jubiläum (1882) Ovationen, wie solche nicht leicht einem Russen, nie einem Ausländer zu Teil geworden sind. An der Errichtung des neuen anatomisch-physiologischen Institutes nahm er einen wesentlichen Anteil; auch gründete er ein besonderes, reichhaltiges Museum. Er war einer der erfahrensten und thätigsten Anatomen und hat im Verlaufe von 41 Jahren gegen 500 anatomische Arbeiten, die sich auf Untersuchung von Massen-Material stützen, veröffentlicht. Die Titel der 1844 bis 84 erschienenen Schriften sind in einer besonderen Broschüre: »Verzeichniss der von 1844 bis 1884 veröffentlichten Schriften« (St. Petersburg 1884) enthalten. Seine verschiedenen Abhandlungen und Schriften betreffen zwar vorzugsweise die menschliche und vergleichende Anatomie und aus ersterer vielfach die in derselben vorkommenden[641] Varietäten; indessen auch die pathologische Anatomie, wie seine Arbeiten über Monstra und Missbildungen, Hermaphroditismus, Gynäkomastie u.s.w. beweisen, ist von ihm nicht unberücksichtigt gelassen worden. 1888 trat er in den Ruhestand und siedelte nach Wien über, wo er 30. September 1890 einem Schlaganfall erlag.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 640-642.
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