Lebert, Hermann

[970] Lebert (ursprünglich Lewy), Hermann, berühmter Kliniker, geb. 9. Juni 1813 in Breslau, wohin seine in Berlin ansässigen Eltern auf kurze Zeit der Kriegsverhältnisse halber sich begeben hatten, studierte Medizin und mit bes. Vorliebe Naturwissenschaften zunächst in Berlin, später in Zürich unter Schönlein und promovierte hier 1834 mit der Diss.: »De Gentianis in Helvetia sponte nascentibus«. Er machte dann zwecks botan. Studien Reisen durch die Schweiz, studierte in den nächsten 1 1/2 Jahren in Paris, besonders unter Dupuytren und Louis, und liess sich 1838 in Bex (Kanton Waadt) nieder, teilte später aber seinen Aufenthalt zwischen Bex und Paris und[970] verbrachte hier die Wintersemester 1842 bis 45, hauptsächlich mit vergl.-anatom. Arbeiten beschäftigt, zu denen ihn eine im Auftrage der Regierung mit Robin unternommene Reise an die Nordküste Frankreichs anregte. Nach einem Aufenthalte in Berlin während des Winters 1845 bis 46 liess L. sich definitiv in Paris nieder und lebte dort, sowohl wissenschaftl. Arbeiten wie der Praxis sich widmend, folgte 1853 einem Rufe als Prof. der med. Klinik nach Zürich, ging 1859 in gleicher Eigenschaft nach Breslau, zog sich aber 1874 wiederum nach Bex zurück, wo er (teils auch in Vevey und Nizza) die letzten Lebensjahre bis zu seinem 1. Aug. 1878 erfolgten Tode zubrachte. L. war ein Zögling Schönlein's und der Schule von Paris und war somit im Stande, die französ. und deutschen Anschauungen zu vermitteln. Er gehörte zu den ersten, welche das Mikroskop für die patholog. Anatomie verwerteten und hat dadurch, sowie überhaupt durch seine Leistungen zur exakten naturwissenschaftl. Behandlung der Pathologie und klinischen Medizin wesentlich beigetragen. Seine zahlreichen Arbeiten – nach der von ihm 1869 publizierten Selbstbiographie 101 Nummern grösserer Werke und sonstiger wissenschaftl. Abhandlungen, wozu noch die nicht kleine Zahl der später veröffentlichten hinzukommt – zerfallen in 3 Abteilungen: In die der biologischen, wozu seine Diss., eine Arbeit über die Mundorgane der Gasteropoden und die interess. Beobachtungen über die Pilzkrankheit der Fliegen gehören, dann die eigentlich med. Werke, unter denen eine von L.'s frühesten Arbeiten: »Physiologie pathologique« (2 voll., Paris 1845, avec atlas de 22 pl.), ferner sein prachtvoll ausgestattetes grosses pathol.-anatom. Kupferwerk: « Traité d'anatomie pathologique générale et spéciale« (2 voll., Ib. 1852 bis 64) – »Handbuch der praktischen Medicin« (2 Bde., Tübingen 1855, 1856) – »Handbuch der allgemeinen Pathologie und Therapie etc.« (Ib. 1865) – »Grundzüge der ärztlichen Praxis« (3 Liefer., 1866) – »Traité pratique des maladies scrofuleuses et tuberculeuses etc.« (Ouvr. cour., Paris 1849; deutsch Stuttgart 1851) – »Traité pratique des maladies cancéreuses etc.« (Paris 1851) – »Klinik der Brustkrankheiten« [971] (2 Bde., Tübingen 1874) – »Die Krankheiten des Magens« (Ib. 1878) – »Die Krankheiten der Blut- und Lymphgefässe« in Virchow's Sammelwerk u.a.m. Erwähnung verdienen. Endlich kann als dritte Abteilung die grosse Zahl von L.'s kleineren Arbeiten unterschieden werden, die sich besonders mit Gegenständen aus der patholog. Anatomie und experiment. Pathologie befassen und verschied, kasuistische Mitteilungen enthalten. Hierher gehören L.'s Studien über Impfung der Tuberkulose, über Carcinom, Uterusmyome, Aneurysmen. In den letzten Jahren veröffentlichte L. in der B. kl. W. mehrere Aufsätze über die klimatischen Verhältnisse von Nizza, Vevey, Bex etc.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 970-972.
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