Schubert-Feder, Cläre

[276] *Schubert-Feder, Cläre, Frau Dr. phil. Berlin, Gneisenaustrasse 30, Dozentin der Humboldt-Akademie in Berlin, wurde den 10. März 1855 in Schönau, einer kleinen Stadt Schlesiens geboren, und auf dem Gute ihrer Eltern, unweit Schweidnitz, erzogen. Sie besuchte die damals sehr mangelhafte höhere Töchterschule zu Schweidnitz und fand an ihrem geistig hochbegabten Vater einen gütigen Förderer ihres Lerneifers und ihrer Liebe zu geistiger Beschäftigung. Nachdem sie die Schule verlassen, fing der Kummer ihres Lebens an: sie sah den geliebten Vater in zweijahrelangem Siechtum hinsterben, die Mutter sich wiederverheiraten und nicht glücklich sein, worunter sie furchtbar litt. Sie selbst verfiel in schwere, drei Jahre andauernde Krankheit. Der heisse Wunsch nach geistiger Entfaltung liess sie nach ihrer Wiederherstellung sogleich an den Plan des Studiums denken. Es bot sich ihr der Weg nach England, und sie machte dort die Vorstudien für ihr nach Jahrefrist, 1878, in Zürich[276] abgelegtes Abiturium, das sie derzeit als einzige Frau, und zwar von Allen am besten bestand. Nachdem sie in Zürich unter dem unvergesslichen Professor Sal. Vögelin ihre kultur- und kunstgeschichtlichen Studien begonnen, ging sie nach Wien, bestand am dortigen akademischen Gymnasium die Nachprüfung im Griechischen und brach, unter unendlichen Mühen und immer wiederholten Bittgesuchen, die Bahn für das Studium der Frau an dortiger Universität. Familienkummer eingreifender Art erschwerte ihr dort das Verfolgen ihrer Ziele. Sie kehrte 1882 nach Zürich zurück, nun erst mit freiem Eifer ihrer hochgestellten Aufgabe dienend. Im Sommer 1885 promovirte sie cum laude als Dr. phil. in der neueren Kunstgeschichte und ging bald darauf nach Florenz, das ihr eine neue Heimat ward. Hier lernte sie bald das feine toskanische Italienisch ganz beherrschen, hielt im philologischen Cirkel Vorträge, lernte die Kunstschätze der Arnostadt kennen und verkehrte freundschaftlichst in den geistig vornehmsten florentinischen Kreisen, deren Mittelpunkt die herrliche Gattin, nachmalige Witwe des früheren italienischen Ministers des Innern, Ubaldino Peruzzi, war. Aus diesem anregenden und anmutigen Leben entführte sie 1889 als Gattin der k. Polizeirat Br. Feder aus Berlin, ein Mann von idealer Lebensanschauung und aufrichtigster Teilnahme an dem Streben der ringenden Frauenwelt. Sechs Jahre lang genoss sie an der Seite dieses gebildeten Mannes ein ungetrübtes Glück als Gattin, Hausfrau und als Arbeiterin auf wissenschaftlichem Gebiete. Sie hielt in Berlin und ausserhalb eine grosse Anzahl von Vorträgen über ihr eigentliches Fach und auch über bedeutsame Fragen der Frauenbewegung. Mitten in ihrem fröhlich eifrigen Schaffen ereilte sie der für sie herbste Schicksalsschlag, der unvorbereitete Heimgang ihres Mannes. Sie hält nun zwar Vortäge an der Humboldt-Akademie, sie hat auch, um ihrer Vereinsamung zu entgehen, ein neues Eheband mit dem Maler und Kunstschriftsteller Theodor Rogge geknüpft; aber ihre Flugkraft scheint gebrochen und sie ringt vergebens nach der Sammlung, deren sie zur Erfüllung ihres schönen Berufes benötigen würde.

‒ Das Leben der Studentinnen in Zürich. 3. Aufl. 8. (28) Berlin 1894, R. Boll. –.25

‒ Die Brunnen in der Schweiz. 1885.

‒ Or San Micchele in Florenz. Eine denkwürdige Stätte der Kultur- und Kunstgeschichte.

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 2. Berlin, 1898., S. 276-277.
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