Einteilung
§ 385

[32] Die Entwicklung des Geistes ist, daß er

I. in der Form der Beziehung auf sich selbst ist, innerhalb seiner ihm die ideelle Totalität der Idee [wird], d.i. daß das, was sein Begriff ist, für ihn wird und ihm sein Sein dies ist, bei sich, d.i. frei zu sein, – subjektiver Geist;

II. in der Form der Realität als einer von ihm hervorzubringenden und hervorgebrachten Welt [ist], in welcher die Freiheit als vorhandene Notwendigkeit ist, – objektiver Geist;

III. in an und für sich seiender und ewig sich hervorbringender Einheit der Objektivität des Geistes und seiner Idealität oder seines Begriffs [ist], der Geist in seiner absoluten Wahrheit, – der absolute Geist.
[32]


§ 386

Die zwei ersten Teile der Geisteslehre befassenden endlichen Geist. Der Geist ist die unendliche Idee, und die Endlichkeit hat hier die Bedeutung der Unangemessenheit des Begriffs und der Realität mit der Bestimmung, daß sie das Scheinen innerhalb seiner ist, – ein Schein, den an sich der Geist sich als eine Schranke setzt, um durch Aufheben derselben für sich die Freiheit als sein Wesen zu haben und zu wissen, d.i. schlechthin manifestiert zu sein. Die verschiedenen Stufen dieser Tätigkeit, auf welchen als dem Scheine zu verweilen und welche zu durchlaufen die Bestimmung des endlichen Geistes ist, sind Stufen seiner Befreiung, in deren absoluter Wahrheit das Vorfinden einer Welt als einer vorausgesetzten, das Erzeugen derselben als eines von ihm Gesetzten und die Befreiung von ihr und in ihr eins und dasselbe sind, – einer Wahrheit, zu deren unendlicher Form der Schein als zum Wissen derselben sich reinigt.[34]

Die Bestimmung der Endlichkeit wird vornehmlich vom Verstande in der Beziehung auf den Geist und die Vernunft fixiert; es gilt dabei nicht nur für eine Sache des Verstandes, sondern auch für eine moralische und religiöse Angelegenheit, den Standpunkt der Endlichkeit als einen letzten festzuhalten, sowie dagegen für eine Vermessenheit des Denkens, ja für eine Verrücktheit desselben, über ihn hinausgehen zu wollen. – Es ist aber wohl vielmehr die schlechteste der Tugenden, eine solche Bescheidenheit des Denkens, welche das Endliche zu einem schlechthin Festen, einem Absoluten macht, und die ungründlichste der Erkenntnisse, in dem, was seinen Grund nicht in sich selbst hat, stehenzubleiben. Die Bestimmung der Endlichkeit ist langst an ihrem Orte, in der Logik, beleuchtet und erörtert worden; diese ist dann ferner für die weiter bestimmten, aber immer noch einfachen Gedankenformen der Endlichkeit, wie die übrige Philosophie für die konkreten Formen derselben, nur dies Aufzeigen, daß das Endliche nicht ist, d.i. nicht das Wahre, sondern schlechthin nur ein Übergehen und Übersichhinausgehen ist. – Dieses Endliche der bisherigen Sphären ist die Dialektik, sein Vergehen durch ein Anderes und in einem Anderen zu haben; der Geist aber, der Begriff und das an sich Ewige, ist es selbst, dieses Vernichtigen des Nichtigen, das Vereiteln des Eitlen in sich selbst zu vollbringen. – Die erwähnte Bescheidenheit ist das Festhalten dieses Eitlen, des Endlichen, gegen das Wahre und darum selbst das Eitle. Diese Eitelkeit wird sich in der Entwicklung des Geistes selbst als seine höchste Vertiefung in seine Subjektivität und innerster Widerspruch und damit Wendepunkt, als das Böse, ergeben.[35]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 10, Frankfurt a. M. 1979, S. 32-36,38.
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