2. Smiths Auflösung des Tauschwerts in v + m

[369] A. Smiths Dogma, daß der Preis oder Tauschwert (exchangeable value) jeder einzelnen Ware – also auch aller Waren zusammen, aus denen das jährliche Produkt der Gesellschaft besteht (er setzt überall mit Recht kapitalistische Produktion voraus) – sich zusammensetzt aus den drei Bestandteilen (component parts) oder sich auflöst in (resolves itself into): Arbeitslohn, Profit und Rente, kann darauf reduziert werden, daß der Warenwert = v + m, d.h. gleich dem Wert des vorgeschoßnen variablen Kapitals plus dem Mehrwert. Und zwar können wir diese Reduktion von Profit und Rente auf eine gemeinsame Einheit, die wir m nennen, vornehmen mit ausdrücklicher Erlaubnis A. Smiths, wie die nachfolgenden Zitate zeigen, in denen wir zunächst alle Nebenpunkte vernachlässigen, also namentlich alle scheinbare oder wirkliche Abweichung von dem Dogma, daß der Warenwert ausschließlich aus den Elementen bestehe, die wir als v + m bezeichnen.

In der Manufaktur:

»Der Wert, den die Arbeiter den Materialien hinzufügen, löst sich auf... in zwei Teile, wovon der eine ihren Arbeitslohn bezahlt, der andre den Profit ihres Beschäftigers auf das ganze von ihm in Material und Lohn vorgeschoßne Kapital.« (Buch I, ch. 6, p. 40, 41.) – »Obgleich der Manufakturist« 〈der Manufakturarbeiter} »seinen Lohn von seinem Meister vorgeschossen erhält, kostet er diesen doch in Wirklichkeit nichts, da in der Regel der Wert dieses Lohns, zusammen mit einem Profit, festgehalten (reserved) wird in dem vermehrten Wert des Gegenstands, auf den seine Arbeit verwandt worden.« (B. II, ch. 3, p. 221.)

Der Teil des Kapitals (stock), der ausgelegt wird

»im Unterhalt produktiver Arbeit... nachdem er ihm« 〈dem Beschäftiger} »in der Funktion eines Kapitals gedient hat... bildet eine Revenue für sie« 〈die Arbeiter}. (B. II, ch. 3, p. 223.)

A. Smith im eben zitierten Kapitel sagt ausdrücklich:

»Das ganze Jahresprodukt des Bodens und der Arbeit jedes Landes... spaltet sich von selbst (naturally) in zwei Teile. Einer derselben, und oft der größte, ist an erster Stelle bestimmt, ein Kapital zu ersetzen und die Lebensmittel, Rohstoffe und fertigen Produkte zu erneuern, die aus einem Kapital entnommen worden; der andre ist bestimmt, eine Revenue zu bilden, sei es für den Eigentümer dieses Kapitals, als sein Kapitalprofit, sei es für jemand anders, als Rente seines Grundbesitzes.« (p. 222.)

Nur ein Teil des Kapitals, wie wir vorhin von A. Smith gehört, bildet zugleich Revenue für jemand, nämlich der im Ankauf von produktiver Arbeit angelegte. Dieser – das variable Kapital – verrichtet zuerst in der Hand des Beschäftigers und für ihn »die Funktion eines Kapitals«, und sodann[370] »bildet er eine Revenue« für den produktiven Arbeiter selbst. Der Kapitalist verwandelt einen Teil seines Kapitalwerts in Arbeitskraft und eben dadurch invariables Kapital; nur durch diese Verwandlung fungiert nicht nur dieser Teil des Kapitals, sondern sein Gesamtkapital als industrielles Kapital. Der Arbeiter – der Verkäufer der Arbeitskraft – erhält in Form des Arbeitslohns den Wert derselben. In seinen Händen ist die Arbeitskraft nur verkäufliche Ware, Ware, von deren Verkauf er lebt, die daher die einzige Quelle seiner Revenue bildet; als variables Kapital fungiert die Arbeitskraft nur in den Händen ihres Käufers, des Kapitalisten, und den Kaufpreis selbst schießt der Kapitalist nur scheinbar vor, da sein Wert ihm vorher bereits durch den Arbeiter geliefert ist.

Nachdem uns A. Smith so gezeigt, daß der Wert des Produkts in der Manufaktur = v + m (wo m = Profit des Kapitalisten), sagt er uns, daß in der Agrikultur die Arbeiter außer

»der Reproduktion eines Werts, der gleich ist ihrer eignen Konsumtion oderA26 dem sie beschäftigenden« 〈variablen} »Kapital nebst dem Profit des Kapitalisten« – außerdem »über das Kapital des Pächters und all seinen Profit hinaus auch noch regelmäßig die Reproduktion der Rente des Grundbesitzers bewirken«. (B. II, ch. 5, p. 243.)

Daß die Rente in die Hände des Grundbesitzers geht, ist für die Frage, die wir betrachten, ganz gleichgültig. Bevor sie in seine Hände geht, muß sie in den Händen des Pächters sich befinden, d.h. in denen des industriellen Kapitalisten. Sie muß einen Wertbestandteil des Produkts bilden, bevor sie Revenue für irgendwen wird. Rente wie Profit sind also bei A. Smith selbst nur Bestandteile des Mehrwerts, die der produktive Arbeiter beständig reproduziert zugleich mit seinem eignen Arbeitslohn, d.h. mit dem Wert des variablen Kapitals. Rente wie Profit sind also Teile des Mehrwerts m, und somit löst sich bei A. Smith der Preis aller Waren auf in v + m.

Das Dogma, daß der Preis aller Waren (also auch des jährlichen Warenprodukts) sich auflöst in Arbeitslohn plus Profit plus Grundrente, nimmt in dem zwischendurch laufenden esoterischen Teil von Smiths Werk selbst die Form an, daß der Wert jeder Ware, also auch des jährlichen Warenprodukts der Gesellschaft, = v + m, = dem in Arbeitskraft ausgelegten und vom Arbeiter stets reproduzierten Kapitalwert plus dem von den Arbeitern durch ihre Arbeit zugesetzten Mehrwert.

Dies Endergebnis bei A. Smith offenbart uns zugleich – siehe weiter unten – die Quelle seiner einseitigen Analyse der Bestandteile, worin der Warenwert zerfällbar. Mit der Größenbestimmung jedes einzelnen dieser[371] Bestandteile und der Grenze ihrer Wertsumme hat aber der Umstand nichts zu tun, daß sie zugleich verschiedne Revenuequellen für verschiedne in der Produktion fungierende Klassen bilden.

Wenn A. Smith sagt:

»Arbeitslohn, Profit und Bodenrente sind die drei Urquellen alles Einkommens sowohl wie alles Tauschwerts. Jede andre Revenue ist in letzter Instanz von einer derselben abgeleitet« (B. I, ch. 6, p. 43),

so sind hier allerei Quidproquo zusammengehäuft.

1. Alle nicht direkt in der Reproduktion, mit oder ohne Arbeit, figurierenden Gesellschaftsglieder können ihren Anteil am jährlichen Warenprodukt – also ihre Konsumtionsmittel – in erster Hand nur beziehn aus den Händen der Klassen, denen das Produkt in erster Hand zufällt – produktiven Arbeitern, industriellen Kapitalisten und Grundbesitzern. Insofern sind ihre Revenuen materialiter abgeleitet von Arbeitslohn (der produktiven Arbeiter), Profit und Bodenrente und erscheinen daher jenen Originalrevenuen gegenüber als abgeleitete. Andrerseits jedoch beziehn die Empfänger dieser in diesem Sinn abgeleiteten Revenuen dieselben, vermittelst ihrer gesellschaftlichen Funktion als König, Pfaff, Professor, Hure, Kriegsknecht etc., und sie können also diese ihre Funktionen als die Originalquellen ihrer Revenue betrachten.

2. – und hier kulminiert der närrische Schnitzer A. Smiths: Nachdem er damit begonnen hat, die Wertbestandteile der Ware und die Summe des Wertprodukts, das in ihnen verkörpert ist, richtig zu bestimmen und dann nachzuweisen, wie diese Bestandteile ebensoviele verschiedne Revenuequellen bilden45; nachdem er so aus dem Wert die Revenuen abgeleitet hat, verfährt er dann – und das bleibt ihm die vorherrschende Vorstellung – umgekehrt und läßt die Revenuen, aus »Bestandteilen« (component parts), zu »Urquellen alles Tauschwerts« werden, womit der Vulgärökonomie Tür und Tor weit geöffnet war. (Siehe unsern Roscher.)

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 369-372.
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