Rückendarre

[420] Rückendarre (Rückenmarksverzehrung, Tabes dorsualis s. spina lis, Phthisis notaea, Myelophthisis), chronische Rückenmarkskrankheit, bei welcher nach u. nach im willkürlichen Muskelsysteme die Spannkraft schwindet u. unter Abmagerung der langen Rücken- u. der Lendenmuskeln allgemeine Abzehrung u. wirkliche Lähmung eintritt. Die R. kommt meist bei jungen Männern vor u. ist sehr häufig Folge geschlechtlicher Ausschweifungen, aber auch Folge anderer chronischer Rückenmarkskrankheiten. Die R. beginnt mit ungewöhnlicher Müdigkeit in den Beinen u. dem Rücken, das Muskelgefühl wird mangelhaft, das Gehen unsicher u. im Finstern ganz unmöglich, es tritt [420] Schwindel ein, alle willkürlichen Bewegungen werden täppisch, der Gang stolpernd od. einmal im Gehen schießt der Kranke fort u. kann, ohne sich anzuhalten, nicht plötzlich stillstehen u. zuletzt kann er nur mit fremder Hülfe gehen. Die Dornfortsätze der Wirbelsäule u. die Hüftknochen ragen hervor, indem die langen Rückenmuskeln u. andere Muskeln mehr u. mehr abmagern. Als Begleiter zeigen sich ziehende od. durchschießende Schmerzen od. auch Kriebeln in den unteren Gliedmaßen u. der Rückengegend, Lähmungen der Harnblase, des Mastdarmes u. der Geschlechtstheile. Außerdem tritt gern Lungenschwindsucht hinzu u. tödtet unter den Zeichen der Schwindsucht, daher als Rückenmarksschwindsucht bezeichnet. Die Dauer der R. ist oft sehr lange, bis zur gänzlichen Lähmung noch Blindheit, Taubheit, Trübsinn, Blödsinn, Schlagflüsse u. andere Hirnaffectionen, Wassersucht etc. hinzutreten. Die Heilung ist sehr schwer; alle diejenigen Schwächungen sind von dem Kranken entfernt zu halten, von denen die Krankheit ausgegegangen ist, zumal geschlechtliche Ausschweifungen u. Samenergüsse; ferner sind kalte Begießungen, Dampfbäder, Eisenbäder od. Kräuterbäder anzuwenden, innerlich Milch, nährende Gallerten u. dgl., Eisen, China, Eisenwässer (Pyrmont, Driburg, Steben, Franzensbad etc.). Vgl Löwenhard, De myelophthisi, Berl. 1812; Weidenbach, De tabe dorsali, ebd. 1817; Schesmer, Tabis dorsalis adumbratio pathologica, ebd. 1819; Horn, De tab. dors., ebd. 1827.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 420-421.
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