Wassersucht

[923] Wassersucht, 1) (Hydrops, Hydropisis), krankhafte Ansammlung von Wasser im Zellgewebe, in den natürlichen Körperhöhlen u. in neu u. krankhaft gebildeten Säcken. Die Menge des angesammelten Wassers ist sehr verschieden, aber auch dessen Beschaffenheit u. Mischung, enthält aber zumeist nur die im normalen Blute vorkommenden Stoffe, wie Eiweiß, Faserstoff, Salze, Extractive u. Harnstoffe etc. mit viel Wasser verdünnt. Seiner Farbe nach ist es bald wasserhell, bald gelblich gefärbt, bald dunkler, bräunlich od. grünlich, dicker (gallertartig) od. dünner, hell od. trüb mit Flocken, Fasern u. Eiter gemengt; Eiter- u. Blutansammlungen, welche man ehemals H. purulentus.u. H. cruentus nannte, gehören nicht zur W. Man unterscheidet: A) Zellgewebewassersucht (Oedema), in der Haut, allgemein (Anasarca) od. örtlich (Oed. cutaneum), in den Schleimhäuten, so das Ödem der Stimmritze (Oed. glottidis), ferner in den Kanälen des inneren Ohres, der Nase, der Harnröhre, der Gallenblase u. Gallenwege, der Därme etc.; ebenso können aber auch Gehirn u. Rückenmark, der Samenstrang von Ödem ergriffen werden. B) W. der serösen Höhlen, zum Unterschied von den Sackwassersuchten, auch wohl freie W. (H. diffusus) genannt. Hierher gehören die W. der Hirn- u. Rückenmarkshöhlen, ferner die Brustwassersucht (H. pectoris), welche entweder Ansammlung von W. im Herzbeutel, od. in dem Rippenfellsack, od. beides zugleich ist. a) Die Herzbeutelwassersucht (H. pericardii, Hydropericardium, Hydrocardia), ist häufig ein Begleiter anderer Herzkrankheiten u. allgemeiner W. od. ist die Folge von Herzbeutelentzündung. Die Herzgegend wölbt sich vor, die Ausdehnung des Herzbeutels läßt sich durch Percussion ermitteln; der Herzstoß wird undeutlich, der Kranke athmet vorwärts gebeugt leichter. Verlauf u. Ausgang ist nach den Ursachen verschieden, doch meist ungünstig. b) Die Brustfellwassersucht (Hydrothorax), meist in Folge von Brustfellentzündung od, von allgemeinen wassersüchtigen Zuständen, bes. bei Herz- u. Nierenkranken. Zuweilen wandelt sich die entzündliche Ausschwitzung in Eiter um (Eiterbrust, Pyothorax), od. es erfolgt ein Bluterguß (Haemothorax), od. es tritt Luft aus dem durchbohrten Brustfell (Pneumothorax). c) W. der Bauchhöhle (Bauchwassersucht, Wasserbauch, H. abdominis, Ascites), welche entweder den ganzen freien Raum der Bauchhöhle einnimmt (freie Bauchwassersucht, H. abdominis diffusus). od. auf seröse Bälge beschränkt (Sackwassersucht des Bauches, H. saccatus abdominis). Bei der freien Bauchwassersucht ist der Leib gleichmäßig ausgedehnt u. die Flüssigkeit ändert mit der Lage des Kranken ihr Niveau; bei der Sackbauchwassersucht ist der Leib nur an der betreffenden Stelle aufgetrieben u. ändert sich die Geschwulst nicht nach der Lage des Kranken. Die Bauchwassersucht ist zumeist Folge von Hemmungen des Pfortaderkreislaufs (bei Leberkrankheiten) od. von Bauchfellentzündung od. das letzte Stadium allgemeiner Blutentmischung; zuweilen macht sich der Bauchstich nochwendig d) W. der Gelenkhöhlen (H. articulorum); e) W. der Augenkammer (H. bulbi) etc. C) W. der Schleimhauthöhlen a) der Lunge (Lungenödem); b) der Gallenblase (H. vesicae felleae); c) des Magens, bei Verschließung des Pylorus (H. ventriculi); d) der Nieren, bei Verschließung der Ureteren (H. renum); e) des Uterus (Gebärmutter-W., Hydrometra). D) Sackwassersuchten zwischen häutigen Ausbreitungen, z.B, zwischen Bauchfell u. Bauchmuskelscheiden theils in einzelnen übermäßig absondernden Zellen, welche sich in wasserhaltige Säcke od. Bälge verwandeln; zuweilen sind diese Bälge Theile einer krankhaften Neubildung, eines Cystensarkoms od. eines Alveolarkrebses u. endlich nur die Hüllen eines Blasenwurms (Acephalocystis, Cysticercus). Nur bei[923] größerer Ausdehnung kann man von Sackwassersucht reden. E) Allgemeine W (H. universalis), wo in mehren Höhlen u. im Zellgewebe verschiedener Theile gleichzeitig Wasser austritt. Die W. besteht in vermehrter Ausschwitzung bei Congestion od. Entzündung (H. inflammatorius s. activus) od. verminderter Aufsaugung (H. torpidus) der wässerigen Bestandtheile des Körpers, deshalb ist W. nur ein Folgezustand anderer Krankheitszustände. Am häufigsten entsteht W. durch gehemmte Venencirculation, wie bei Lebern- Herzkrankheiten; ferner entsteht W. öfters durch krankhafte Blutbeschaffenheit, wenn das Blut sehr wässerig wird. Am seltensten dürfte das Nervensystem Theil an Erzeugung von W. geben, doch schreibt man dieser Ursache Wasseransammlungen bei Krampfkrankheiten (H. spasticus) u. bei Lähmungen (H. paralyticus) zu. Die Thätigkeit der Haut u. der Nieren ist dabei beschränkt, daher wenig Schweiß u. wenig Urin bei großem Durst. Die Entwicklung der W. geschieht sehr schnell unter Fieber (H. acutus) od. am häufigsten allmälig unter den Zeichen allgemeiner Schwäche (H. chronicus). Bei der Behandlung der W. ist die erste Aufgabe, deren Ursachen zu entfernen, was aber oft kaum möglich ist, u. dann durch abführende schweiß u. urintreibende Mittel (Hydragoga) od. durch Scarification der Haut u. Paracentese (abzapfen) die krankhafte Ansammlung zu beseitigen. Vgl. C. L. Meyer, Sichere Heilung der W., Schleiz 1836; I. Wendt, Die W. in den edelsten Höhlen, Bresl 1837; Seymour, The nat. et treatment of dropsy, Lond. 1837; Osborne, Pathologie u. Therapie der W., aus dem Englischen von Nasse, Lpz. 1840. 2) (Thierarzneik,), so v. w. Egelkrankheit.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 923-924.
Lizenz:
Faksimiles:
923 | 924
Kategorien: