Therapie

[492] Therapie (Therapeutik, v. gr.), Heilkunst, od. der Theil der ärztlichen Wissenschaft, welcher das Heilverfahren in Krankheiten lehrt u. daher den Gegensatz der Pathologie bildet. Ihr Wirkungskreis beschränkt sich aber nicht allein auf die eigentliche Heilung der Krankheiten, sondern umfaßt auch die Aufgabe der Linderung derselben, bes. wo eine völlige Heilung nicht möglich ist, so wie die Vorbauung derselben. Die Th. geht von der Möglichkeit aus, wie die gestörte Harmonie u. abgewichene Form der Kräfte, so wie auch die normale Form u. Mischung des Organismus wieder hergestellt werden können; sie zeigt, wie Alles, was auf den lebenden Organismus einwirkt u. dessen verschiedenen Thätigkeiten bestimmt, dazu dient, durch Hinleitung u. Einwirkung auf bestimmte Theile, Organe u. Systeme des Organismus, deren Thätigkeit umzuändern, die einen zu erhöhen, andere herabzusetzen u. dadurch die Harmonie wieder herzustellen. Sie wirkt dahin theils durch diätetische Mittel, theils durch eigentliche Heilmittel u. benutzt diese entweder vorzugsweise od. mehr in beschränkterem Maße u. mit größerer Rücksicht auf die Naturheilkraft (aspectatives Heilverfahren). Nur insofern sie eine wissenschaftlich künstlerische Grundlage hat u. ihr Handeln nach sicherem Plan u. Methode (rationelle Th.) eingeleitet wird, nicht eine auf bloße unklare Analogien u. Überlieferungen od. einen instinctartigen Takt (empirische Th.) gestütztes Handeln ist, kann sie sich eine wirklich künstlerische nennen. Sie zerfällt in die allgemeine u. in die besondere Th. A) Die allgemeine Th. gibt die obersten Regeln an, nach welchen das Heilverfahren auszuführen ist. Bei jedem Krankheitsfalle ist das Geschäft des Arztes ein vierfaches, u. die allgemeine Th. zerfällt daher auch in vier Hauptabschnitte: a) Der erste umfaßt die Lehre von der Art u. Weise, wie man zur Erkenntniß des Krankheitszustandes (Diagnose) gelangen kann, u. gibt die Regeln für das anzustellende Krankenexamen u. für die daraus nach pathologischen Grundsätzen zu ziehenden Schlüsse auf den gegenwärtigen Stand u. den zu erwartenden Verlauf der Krankheit. b) Der zweite handelt von der Heilkraft der Natur u. lehrt, unter welchen Umständen u. wie weit man in Krankheiten auf dieselbe vertrauen kann, u. in welchen Fällen dieselbe zu leiten, zu beschränken od. nachzuahmen sei. c) Der dritte Abschnitt handelt von der Auffindung der[492] Bestimmungsgründe für ein zu wählendes Heilverfahren od. von den Anzeigen u. Gegenanzeigen (Indicationen u. Contraindicationen), s.u. Anzeige 5). Aus der Indication bildet sich der Heilkünstler den eigentlichen Curplan u. aus ihnen die Curmethode, welche im Allgemeinen bald zunächst auf die Ursachen der Krankheit u. deren Entfernung (Causalcur), bald in ungleicher Weise auf die Symptome (symptomatische Curart), bald auf die Entfernung des eigentlichen Grundes der Wurzel derselben (Radicalcur) gerichtet ist, bald eine specifische ist. d) Der vierte Abschnitt endlich stellt gewisse allgemeine Verfahrungsarten auf, welche gewisse allgemeine Heilzwecke verfolgen u. deshalb Fundamentalmethoden des Heilgeschäftes genannt werden; z.B. die zusammenziehende, erweichende, stärkende, entzündungswidrige, reizende, beruhigende, nährende, ausleerende, auflösende, ableitende, umändernde, psychische, magnetische, diätetische, chirurgische etc. hinzufügen kann. B) Die besondere Th. lehrt nur die Anwendung dieser allgemeinen Regeln auf besondere Krankheitsformen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 492-493.
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