Herzkrankheiten

[300] Herzkrankheiten (Cardiopathien, Herzleiden), die krankhaften Affectionen des Herzens u. dessen Zubehör des Herzbeutels u. der großen Gefäßstämme; die H. sind erst in neuerer Zeit durch die Fortschritte der pathologischen Anatomie u. Anwendung der physikalischen Diagnostik (Auscultation u. Percussion) näher bekannt worden. Die H. äußern sich in verschiedenster Weise durch Schmerz, Brennen, Drücken, Beklemmung, Angst etc. in der Herzgegend od. durch Herzklopfen. Die physikalische Diagnostik gibt sicheren Aufschluß über die H. durch Untersuchung des Herzstoßes, der Töne des Herzens u. der Gefäße, etwaiger Veränderung der Wölbung des Brustkastens u. abnormer Erweiterung od. abnormen Pulsirens der Arterien u. Venen des Halses u. der Brust. Die in zweiter Reihe auftretenden Folgeerscheinungen der H. gehen aus der Störung des Blutlaufes, bes. des venösen, hervor, zeigen sich theils in den Lungen als Blutanschoppung (Asthma congestionum) u. führen Beklemmungsgefühl u. Kurzathmigkeit, besonders beim Treppensteigen, keuchendes Athmen, trocknen schallenden Husten, periodische Katarrhe od. Bluthusten herbei. Im großen Kreislauf des Blutes erscheinen Puls u. Hautwärme verändert, Kopfcongestionen treten ein mit Gemüthsverstimmungen, Ohnmachten, Aufschrecken im Schlafe, vor Allem aber entsteht häufig Blutstauung in den venösen Haargefäßnetzen, welche sich bald in Blutungen, blausuchtähnlichen, wassersüchtigen Zufällen äußert; leidet auch die Leber u. Pfortader an der venösen Überfüllung, so treten noch verschiedene andere damit in Zusammenhang stehende Erscheinungen ein. Verschlimmert werden alle diese Symptome durch heftige u. andauernde Körperbewegung, durch geistige Getränke, Gemüthsbewegungen, Fieber, während körperliche u. geistige Ruhe H. zwar nicht heilen, aber deren Folgen wenigstens mildern u. hinausschieben kann; zuweilen treten Herzklopfen, Athembeschwerden, Angst, [300] Ohnmachten, Pulsstörungen im Gefolge von Nerven- od. Unterleibskrankheiten u. allgemeiner Schwäche auf, u. man bezeichnet sie dann als falsche Herzzufälle, nervöses Herzklopfen (Cardiogmus). Die Ursachen der H. sind häufig mechanische, wie übermäßige Anstrengungen, Husten, Instrumenteblasen, Hemmungen des Blutkreislaufs bei Rückgratskrümmungen, Aneurysmen, Undurchgängigkeit der Lungen bei verschiedenen Krankheiten derselben, aber auch Gemüthsbewegungen u. Erkältungen führen dazu; bes. aber veranlassen Entzündungen des Herzens (Carditis, Cardiopericarditis), zumal bei Rheumatismus u. Gicht, die H.; manche sind auch angeboren, z.B. falsche Lagerung des Herzens mit der Spitze nach oben (Cardianostrophe), Offenbleiben des ovalen Loches od. des Botallischen Ganges. Der Verlauf ist zumeist chronisch u. endet mit Desorganisation, Verengerung der Herzmündungen (Cardiostenosis), Erweiterung (Cardianeurysma, Cardianectasis), Verengerung der Herzhöhlen (Cardianastegnosis), Lähmung (Cardioplegie) u. Zerreißung des Herzens (Cardiorrhexis), Herzerweichung (Cardiomatacic), Vereiterungen (Herzgeschwür, Cardianelcosis). Mit dem Herzen werden die Lungen in Mitleidenschaft gezogen; Blutüberfüllung derselben, Katarrhe, Blutungen sind die gewöhnlichen Folgen. Häufig enden die H. mit allgemeiner Wassersucht; obschon oft langjährige Fristung des Lebens bei passendem Verhalten gelingt, so ist doch die Möglichkeit eines plötzlichen Todes durch Hirn- od. Lungenschlag, Herzlähmung od. Herzzerreißung immer zu fürchten. H. verlangen ein eigenthümliches Verhalten (Herzdiät), bestehend in Ruhe des Körpers u. des Geistes, Vermeidung alles dessen, was das Gefäßsystem erregen kann, von Magenüberladungen u. Erkältungen, bes. von Katarrhen u. Rheumatismen; zur Beruhigung des ungestümen u. Regelung des unordentlichen Blutlaufs sind Digitalis u. Giftlattich die besten Mittel. Vgl. Bouillaud, Die Krankheiten des Herzens, Par. 1835, deutsch von Becker, Lpz. 1836; Cramer, H., 2. Aufl., Kassel 1839; Kallenbach, Die gesammten H., Berlin 1840; Friedberg, Die angeborenen H., ebd. 1842; Piorry, Über die Krankheiten des Herzens, deutsch von Krupp, Lpz. 1844; Zehetmayer, Grundzüge der Lehre von den H., Wien 1845; Bamberger, Lehrbuch der Krankheiten des Herzens, Wien 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 300-301.
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