Auszugsvorrichtungen

[337] Auszugsvorrichtungen (contrivances for dilatation; appareils de dilatation; apparecchi di dilatazione) bei Eisenbahnbrücken. Die durch die Temperaturwirkung hervorgerufenen Längenänderungen eiserner Tragwerke erfordern in den mit dem Tragwerke festverbundenen Schienensträngen einen Ausgleich am längsbeweglichen Brückenende, wozu besondere A. (Dilatations- oder Kompensationsvorrichtungen) dienen. Nur bei Brücken von kleinerer Länge, etwa bis 30 m, können sie wegbleiben, da hier die Schienenlücken in den, dem beweglichen Brückenende zunächst liegenden Schienenstößen für den Längenausgleich genügen. Man hat zwar in einigen Fällen auch bei größeren Spannweiten die A. weggelassen, indem man die Schienen auf dem Tragwerk verschieblich und mit Zwischenräumen an den Schienenstößen befestigte. Es entstehen aber dabei leicht Unregelmäßigkeiten in der Größe der Schienenlücken und in der gegenseitigen Lage der Schienenstöße, so daß das Weglassen der A. im allgemeinen nicht zu empfehlen ist. Man wird daher gut tun, die Schienen auf dem Tragwerk festzuhalten und gegen Wandern zu sichern, wobei aber doch auch kleine Zwischenräume an den Schienenstößen zu geben sind, da sich bei direkter Sonnenbestrahlung die Schienen stärker erwärmen und ausdehnen als die unterstützenden Träger.

Die A. sind derart auszubilden, daß sie ein möglichst stoßfreies Passieren der Schienenlücke ermöglichen. Bei einer Temperaturschwankung von 60° C beträgt der Auszug für je 10 m Brückenlänge rund 71/2 mm. Man findet hauptsächlich folgende Anordnungen ausgeführt: 1. Die beiden Schienen werden zur Hälfte überplattet, so daß die Radkränze an den Lücken eine halbe Kopffläche zur Unterstützung finden. Es sind aber hierzu Schienen von größerer Stegdicke (mindestens 18 mm) zu verwenden, da sonst der halbierte Steg für die Aufnahme schwerer Raddrücke zu geringe Stärke erhielte, oder man überplattet die Schienen nur so weit, daß die Stege aufeinander liegen. In letzterem Fall verschieben sich aber die Mittellinien der Schienen um die Stegdicke und es ist der Kopf der einen Schiene auch an der Innenseite so weit abzuhobeln, daß die Fahrkante eine gerade Linie bildet. 2. Eine stoßfreiere Überführung des Rades über die Schienenlücke, daher weniger rasche Abnützung erreicht man durch die A. mit Stützlasche (Abb. 170), bei denen die Schienen durch eine überplattete Lasche derart verbunden sind, daß letztere das Rad beim Obergang über die Lücke unterstützt, zu welchem Behufe die Lauffläche der Lasche an der Schienenlücke, entsprechend der Konizität des Radkranzes, mit sanfter Steigung erhöht ist. Auf der Innenseite der Schienen liegt eine gewöhnliche Flachlasche. Auszugsschienen und Laschen sind mit Schraubenbolzen in länglichen Löchern verbunden. Auf der Innenseite des Gleises sind zur Sicherheit gegen Entgleisung Zwangschienen anzuordnen. Zur Auflagerung der Auszugschienen dient eine gewalzte oder gegossene Grundplatte, mit der die Schienen durch Klemmplatten, die den [338] Schienenfuß übergreifen, verbunden sind. Die Stützlasche kann auf der Grundplatte mittels Nieten oder Schrauben befestigt werden oder bloß auf den Schienenfüßen aufliegen. 3. Am vorteilhaftesten für den regelmäßigen Übergang der Fahrzeuge sind die Auszüge mit Spitzschienen, bei denen die bewegliche Schiene in eine Spitze oder Zunge ausläuft, die sich an die etwas abgebogene, feste Schiene nach Art der Weichenzungen anschließt (Abb. 171175). Beide Schienen sind auf einer eisernen Platte gelagert und es ist die Spitzschiene durch Klemmplatten oder Winkellaschen so geführt, daß sie in jeder Stellung fest an der Stockschiene anliegt. Der Fuß der Zungenschiene ist zu dem Zweck an den Klemm- oder Führungsplatten parallel zur Mittellinie der abgebogenen Schiene bearbeitet und außerhalb des Auszugs so befestigt, daß die Zungenschiene eine geringe Drehbewegung ausführen kann. Mit der Verschiebung der Zunge sind allerdings kleine Spurweitenänderungen verbunden, die man aber durch einen spitzen Anschlußwinkel gering halten kann. Nach dieser Art sind auch die Auszugsvorrichtungen an der Firth-of-Forth-Brücke konstruiert und ist daselbst bei den zwischen den Tragarmen und den Mittelträgern befindlichen eine größte Verschiebung von 60 mm vorgesehen. Die A. werden bei Brücken mit einem Feld am besten in das Schotterbett gelegt, weil dadurch die, insbesondere bei Anordnung 1 und 2, beim Obergang unvermeidlich auftretenden Stöße auf die Brücke ohne Einfluß bleiben. Bei Brücken mit mehreren getrennten Feldern müssen die Schienenauszüge auf die Mittelpfeiler gelagert werden, wenn nicht durch eigene Dilatationsträger, die mit der Fahrbahn in konstruktivem Zusammenhange stehen, eine Unterlage geschaffen wird, was empfehlenswerter ist.

Melan.

Abb. 170.
Abb. 170.
Abb. 171.
Abb. 171.
Abb. 172.
Abb. 172.
Abb. 173.
Abb. 173.
Abb. 174.
Abb. 174.
Abb. 175.
Abb. 175.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 337-339.
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Faksimiles:
337 | 338 | 339
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