Balkenbrücken

[470] Balkenbrücken (girder-bridges; pont à longerons) sind von den Brücken anderer Systeme, den Bogen- und Hängebrücken, dadurch unterschieden, daß sie ihre Stützen (Widerlager oder Pfeiler) nur lotrecht belasten. Die Hauptträger dieser Brücken werden auf Biegung beansprucht, im Gegensatze zu den Trägern der Bogen- und Hängebrücken, bei denen schief gerichtete Auflagerkräfte und vorwiegend Beanspruchungen auf Druck, bzw. auf Zug nebst geringeren Biegungsbeanspruchungen auftreten. Die Wirkungsweise ist durch die Art der Auflagerung bedingt. Balkenträger erfordern ein festes und im übrigen wagrecht bewegliche Auflager, damit daselbst keine wagrechten Stützenkräfte auftreten können.

Das Konstruktionssystem der Balkenträger findet bei den hölzernen und eisernen Brücken und bei Brückentragwerken aus Eisenbeton Anwendung. Die Träger können entweder massive (vollwandige) Balken sein oder eine durchbrochene Wand erhalten (Gitter- und Fachwerksträger, Vierendeelträger). Hat die Brücke mehrere Öffnungen, so kann entweder jede Öffnung mit unabhängigem Tragwerk überbrückt sein, oder es ist die Tragkonstruktion der aneinander grenzenden Öffnungen zusammenhängend, also über mehrere Stützen hinweggehend. Man unterscheidet demnach einfache, auf bloß zwei Stützen frei aufliegende B. und durchgehende, kontinuierliche B. Letztere sind hinsichtlich der einwirkenden äußeren Kräfte statisch unbestimmte Anordnungen, bei denen die Stützenkräfte von den elastischen Formänderungen abhängen und aus ihnen zu berechnen sind. Sie lassen sich aber durch Einschaltung von Gelenken in kontinuierliche Gelenkträger, Gerberträger oder Auslegerträger verwandeln, die statisch bestimmt sind.

Die größte Spannweite unter den einfachen Balkenträgerbrücken besitzt die Eisenbahn- und Straßenbrücke über den Mississippi zu St. Louis (Municipal-Bridge) mit 204 m Stützweite, in Europa die Eisenbahnbrücke über den Rhein zwischen Duisburg und Ruhrort mit 186 m. Beide sind derzeit im Bau begriffen und haben weitmaschige eiserne Fachwerksträger.

Diese Spannweiten werden aber von einer Anzahl Auslegerbrücken noch weit übertroffen. Die gewaltigsten Bauwerke dieser Art sind die 1890 vollendete Firth-of-Forthbrücke mit Spannweiten von 521∙2 m und die nunmehr (nach dem 1907 während des Baues erfolgten Einstürze) zum Neubau gelangende Quebecbrücke über den St. Lorenzstrom mit einer Mittelöffnung von 535∙8 m.


Man vergleiche hierzu die Artikel: »Frei aufliegender Balken«, »Durchgehender (kontinuierlicher) Balken«, »Gerberträger«, »Auslegerbrücken« und »Eisenbrücken«.

Melan.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 470.
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