Fahrgelderstattung

[441] Fahrgelderstattung, Fahrpreiserstattung, Rückvergütung des Preises für eine unbenutzt gebliebene Fahrkarte; die F. erfolgt seitens der Eisenbahnverwaltungen teils auf Grund gesetzlicher oder reglementmäßiger Verpflichtungen, teils aus Billigkeitsrücksichten bei Eintritt von Ereignissen, die den Besitzer der Karte an der Ausnutzung derselben innerhalb der Gültigkeitsdauer verhindert haben.

Nach der deutschen Verkehrsordnung und dem österreich-ungar. Betriebsreglement, sowie jenem des VDEV. wird F. zunächst gewährt, wenn einem Reisenden der seiner Fahrkarte entsprechende Platz weder angewiesen, noch demselben zeitweise ein Platz in einer höheren Klasse eingeräumt werden kann und er eine niedrigere Klasse nicht benutzt. Bei Umtausch der Karte in eine solche der niedrigeren Klasse erfolgt die Erstattung des Preisunterschieds.

Wenn eine für einen bestimmten Zug oder für einen bestimmten Tag lautende Fahrkarte bei einem niedriger tarifierenden Zuge am selben oder am darauffolgenden Tage benutzt wird, wird der Fahrgeldunterschied erstattet.

Personen, die wegen einer sichtbaren Krankheit oder aus anderen Gründen von der Mitfahrt ausgeschlossen werden, wird das Fahrgeld für die nicht durchfahrene Strecke vergütet.

Denselben Anspruch hat der Reisende, wenn infolge einer Zugverspätung der Anschluß an einen anderen Zug versäumt wurde oder der Zug, für den die Fahrkarte gelöst wurde, ganz oder teilweise ausfällt.

Dem Reisenden, der infolge Zugverspätung den Anschluß an einen anderen Zug versäumt und zur Ausgangsstation zurückkehrt, wird, falls er mit direkter Fahrkarte versehen ist, unter Voraussetzung des Nachweises, daß er mit dem nächsten zurückführenden Zuge ununterbrochen zur Ausgangsstation zurückgekehrt ist, der bezahlte Preis für die Hin- und Rückfahrt in der auf ersterer benutzten Wagenklasse rückvergütet.

Selbstverständlich erfolgt F. auch dann, wenn der Reisende nachweisbar höhere als die tarifmäßigen Gebühren bezahlt hat.


Bei den belgischen Staatsbahnen hat ein mit einer Fahrkarte zu normalem Preise versehener Reisender, der nicht an den Bestimmungsort oder rechtzeitig an die Anschlußstation befördert werden konnte oder mit dem Zuge, für den die Karte lautet, hat nur bei einem Verschulden der Verwaltung Anspruch auf eine Entschädigung bis zur Höhe des Fahrpreises.

Keinen Anspruch hat der Reisende, der über polizeilichen Auftrag von der Fahrt ausgesetzt wurde, aus persönlichen Gründen einen Teil der Fahrt unterläßt, seine Karte verliert, die Rückfahrt auf Grund einer Rückfahrkarte aus einem anderen Grunde als wegen Krankheit unterläßt.

Bei den italienischen Staatsbahnen hat der Reisende ein Recht auf Rückzahlung des ganzen Fahrpreises

a) wenn der Abgang des Zuges um 1 Stunde verspätet ist;

b) wenn der Reisende infolge des Befehls der politischen oder richterlichen Behörde an der Abreise gehindert ist;

c) wenn er im Zuge keinen Platz findet.

Der Reisende hat Anspruch auf Rückzahlung der dem nicht zurückgelegten Wege entsprechenden Quote des Fahrpreises;

d) wenn der Zug die Fahrt nicht fortsetzen kann und der Reisende nicht beabsichtigt, von den sonstigen Fahrgelegenheiten Gebrauch zu machen, die die Verwaltung zu seiner Verfügung stellt;

e) wenn bei Verspätungen der Anschlußzug nicht erreicht wird und der Reisende es ablehnt, den nächstfolgenden Zug, den ihm die Verwaltung ohne Aufzahlung zur Verfügung stellt, zu benutzen.

Bei den schweizerischen Bahnen gelten bezüglich der F. insbesondere die Bestimmungen des § 26 des Transportreglements vom 1. Januar 1894, u. zw.:

1. Verspätet sich der Abgang des Zugs, für den der Reisende seine Fahrkarte gelöst hat, um mehr als eine halbe Stunde, so ist der Reisende befugt, Rückzahlung des Fahrpreises gegen Rückgabe der Fahrkarte zu verlangen;

2. Reisende mit direkten Karten, die infolge einer Zugverspätung den Anschluß verfehlen, können ohne Nachzahlung die Weiterbeförderung mit dem nächsten Zug und Zustellung neuer Fahrkarten gegen Abgabe der früheren verlangen, falls dies zur Fortsetzung der Reise nötig ist;

3. Reisende, die in reglementarischer Zeit ihre Karten gelöst haben, aber infolge verfrühten Abgangs des Zugs nicht befördert worden sind, haben nach ihrer Wahl Anspruch auf Rückzahlung des Fahrpreises oder Weiterbeförderung mit dem nächsten Zug ohne Nachzahlung;

4. Reisenden mit direkten Fahrkarten, die infolge einer nicht durch nachgewiesene höhere Gewalt veranlaßten Zugsverspätung den Anschluß verfehlen und, die Reise abbrechend, mit dem nächsten Zug zurückkehren, sowie jedem Reisenden, der bei Verspätung um mehr als den fünften Teil der auf seine Reise fallenden fahrplanmäßigen Zeit, mindestens jedoch um mehr als eine Stunde, mit dem nächsten Zug zurückkehrt, ist freie Rückfahrt in der auf der Hinfahrt benutzten Wagenklasse zu bewilligen und das bezahlte Fahrgeld zu ersetzen;

5. Reisende, die Inhaber von Rückfahrkarten sind, können im Fall der unter 4. vorausgesetzten Verspätung[441] die Rückfahrt mit dem nächsten Zug, u. zw. unter Rückvergütung des gesamten Fahrgelds verlangen.

Reisende, die infolge obgenannter Fälle Anspruch auf Rückerstattung des Fahrpreises zu haben glauben, sind bei Verlust ihres Reklamationsrechts gehalten, ihre Reklamation innerhalb 24 Stunden beim betreffenden Stationsvorstand anzubringen, der die nötigen Anordnungen treffen wird. Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung auf Vergnügungszüge und können auch für andere außerordentliche Fälle auf begründetes Ansuchen der Unternehmung durch den Bundesrat aufgehoben werden.

Bezüglich der wegen Krankheit oder aus anderen Gründen, aus denen eine Belästigung der Mitreisenden zu befürchten ist, von der Mitfahrt oder Weiterfahrt ausgeschlossenen Personen gelten dieselben Normen über F. wie in Deutschland und Österreich.

Nach dem niederländischen Transportreglement und dem allgemeinen russischen Eisenbahngesetze (Punkt 20 u. 28) gelten für den Fall, als den Reisenden kein Platz in der der Karte entsprechenden oder in einer höheren Klasse angewiesen werden kann, ferner bei Ausschluß von der Mitfahrt oder Weiterfahrt im wesentlichen gleichfalls dieselben Bestimmungen wie in Deutschland und Österreich.


In dem Schlußakt der Konferenz für die Beratung des Entwurfes eines internationalen Übereinkommens über die Beförderung von Personen und Reisegepäck findet sich über F. nur die Bestimmung, daß den von der Fahrt ausgeschlossenen Personen das Fahrgeld nach Abzug des Betrages für die durchfahrene Strecke zu erstatten ist, und daß der Reisende, der das Verschulden einer bei der Beförderung beteiligten Eisenbahn an einer Zugverspätung oder Anschlußversäumnis beweist, nur gegen diese Bahn seinen auf deren Linien entstandenen Schaden geltend machen kann, soweit die Gesetze des Landes, in dem diese Bahn liegt, es gestatten.

Aus Billigkeitsrücksichten pflegen die Bahnverwaltungen F. bei Rückfahrkarten, zusammenstellbaren Fahrscheinheften oder ähnlichen, eine Preisermäßigung enthaltenden Fahrkarten zu bewilligen, wenn der Reisende durch eigene Erkrankung, Erkrankung oder Tod mitreisender Angehöriger, durch plötzliche, d.h. erst nach der Abreise vom Wohnort eingetretene Unglücksfälle im eigenen Hausstand, durch Naturereignisse u. dgl., an der Ausnutzung der Fahrkarte tatsächlich verhindert worden ist.

Zur Vereinfachung der Regelung der Erstattungsanträge im Interesse des Publikums und der Eisenbahnen, ist das Übereinkommen zwischen den preußischen Staatsbahnen, den Reichsbahnen und der oldenburgischen Staatsbahn getroffen, das neuerdings auf alle größeren Bahnen ausgedehnt werden soll. Gleichen Zwecken dient das Übereinkommen betreffend die Erstattung von Fahrgeld (gültig vom 1. Januar 1910) für den gegenseitigen Verkehr der dem VDEV. angehörenden Verwaltungen. Nach letzterem Übereinkommen wird das Fahrgeld erstattet, wenn eine Nichtausnutzung von Fahrausweisen (zusammengestellten Fahrscheinheften, festen Rundreisekarten und sonstigen Fahrkarten) nachgewiesen wird. Die regelnde Verwaltung entscheidet darüber, ob der Nachweis der Nichtausnutzung erbracht ist. Der Erstattungsbetrag beschränkt sich auf den Unterschied zwischen dem gezahlten Gesamtpreise und dem einfachen Fahrpreise für die mit der Fahrkarte abgefahrene Strecke (unter Einbehaltung des Porto, sowie einer allfälligen Schreibgebühr).

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 4. Berlin, Wien 1913, S. 441-442.
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