Nachnahmen

[311] Nachnahmen (advanced payments, payments ou delivery; déboursés, remboursements; anticipazioni in constanti, assegni), Geldbeträge, die die Eisenbahn zufolge Verfügung des Absenders bei Ablieferung des Gutes für Rechnung des Absenders einzuziehen hat. Man unterscheidet N. im vorhinein (Barvorschüsse), die dem Absender gleich bei der Aufgabe ausgezahlt werden, und N. nach Eingang, deren Zahlung erst nach gemeldeter Einzahlung seitens des Empfängers oder nach Ablauf einer festgesetzten Frist erfolgt, wenn nicht innerhalb derselben eine Anzeige über den Nichtbezug der Sendung einläuft. Juristisch liegt bei N. ein mit dem Frachtvertrag in unmittelbarem Zusammenhang stehender Nebenvertrag, ein Mandat vor: die Eisenbahn übernimmt den Auftrag, die Waren nur gegen Einhebung eines bestimmten Betrags an den Empfänger abzuliefern.

N. nach Eingang sind im allgemeinen bis zur Höhe des Wertes des Gutes zulässig, während Barvorschüsse nur zugelassen werden, wenn sie nach dem Ermessen der Versandstation durch den Wert des Gutes sicher gedeckt sind, d.h., daß sie bei einem bahnämtlichen Verkauf auch noch neben den Fracht- und Nebengebühren u.s.w. Deckung finden.


In Italien wird gefordert, daß Vorauslage und Fracht zusammen nicht mehr als ein Drittel des vermutlichen Wertes der Ware betragen, während in der Schweiz Barvorschüsse keinen anderen einschränkenden Vorschriften unterliegen, als nach Eingang (s.u.) und nach dem Ermessen der Versandstation gewährt werden können. In Rußland werden N. im vorhinein überhaupt nicht ausgezahlt. Bei vielen Bahnverwaltungen werden auf Güter, die raschem Verderben ausgesetzt sind, und auf bahnlagernde Güter keine Barvorschüsse gewährt. Ihre zulässige[311] Höhe beschränkt sich in Deutschland auf 10 M., in Österreich-Ungarn auf 300 K.


Explosive Güter dürfen mit N. nicht belastet werden. Im übrigen sind N. nach Eingang in der Regel ohneweiters bis zur Höhe des Wertes des Gutes zulässig. Der Betrag der N. ist vom Absender im Frachtbrief mit Buchstaben einzutragen. Dieser Eintrag ist auch bei einer Abweichung von einem Eintrag in Ziffern maßgebend. Als Bescheinigung über die Belastung mit N. nach Eingang dient der abgestempelte Frachtbrief, das Duplikat oder die sonst zugelassene Bescheinigung über die Auflieferung des Gutes. Auf Verlangen sind außerdem besondere Nachnahmescheine gebührenfrei auszuhändigen. In Österreich-Ungarn hat die Versandstation über jede N. nach Eingang einen Nachnahmebegleitschein und den mit diesem verbundenen Nachnahmelegitimationsschein auszufertigen. Der Begleitschein wird dem Frachtbrief angeheftet und von der Empfangsstation, die auf ihm die Einhebung der N. bescheinigt, der Versandstation unverzüglich rückübermittelt. Der Legitimationsschein wird dem Absender ausgehändigt und dient als Legitimation zur Behebung der N. und als Quittung über die erfolgte Auszahlung der N. an den Absender (Ähnliches gilt in Italien und der Schweiz). Er ist kein Inhaberpapier, sondern ein bloßes Legitimationspapier, d.h. die Zahlung kann rechtswirksam nur an den Absender erfolgen. Bei Barvorschüssen entfält naturgemäß die Ausstellung eines Nachnahmebegleitscheines und eines Legitimationsscheines, da sie sofort bei der Aufgabe ausgezahlt werden.

Die Eisenbahn hat, sobald die N. nach Eingang bezahlt ist, den Absender zu benachrichtigen und ihm die N. auszuzahlen. Ist die Auszahlung im Tarif vom Ablauf einer bestimmten Frist abhängig gemacht, so ist keine besondere Benachrichtigung erforderlich.


In Deutschland werden N. von 150 M. oder mehr, N. auf Frachgüter, für die Vorausbezahlung der Fracht gefordert werden kann, und N. auf bahnlagernde Güter erst ausgezahlt, wenn die Versandstation die Anzeige der Bestimmungsstation über die Zahlung der N. durch den Empfänger erhalten hat. Alle anderen N. werden, falls die Bestimmungsstation nicht Einspruch erhoben hat, nach Ablauf einer mit dem Tage der Aufgabe beginnenden Frist ausgezahlt, die bei einer Beförderungsstrecke bis 1000 km 2 Wochen, sonst 3 Wochen beträgt. Vor Ablauf dieser Frist werden sie ausgezahlt, wenn die Versandstation die Anzeige der Bestimmungsstation über die Zahlung der N. durch den Empfänger erhalten hat oder der Absender eine Einzahlungsbenachrichtigung der Bestimmungsstation vorlegt.


Ist das Gut ohne Einziehung der N. ausgeliefert worden, so hat die Eisenbahn dem Absender den Schaden bis zum Betrage der N. zu ersetzen, vorbehaltlich ihres Anspruchs gegen den Empfänger und vorausgesetzt, daß die N. den zulässigen Höchstbetrag (Wert des Gutes) nicht übersteigt. Liegt dieser Fall vor, dann ist die Haftung auf den zulässigen Höchstbetrag zu beschränken.

N. nach Eingang können vom Absender unter bestimmten Voraussetzungen auch nachträglich aufgelegt, erhöht, gemindert oder zurückgezogen werden.

Für N. im internationalen Verkehr enthält Art. 13 des IÜ. die Vorschrift, daß dem Absender gestattet ist, das Gut bis zur Höhe seines Wertes mit N. nach Eingang zu belasten. Für die aufgegebene N. wird die tarifmäßige Provision berechnet. Die Eisenbahn ist nicht verpflichtet, dem Absender die N. eher auszuzahlen, als bis ihr Betrag vom Empfänger bezahlt ist. Dies findet auch Anwendung auf Auslagen, die vor der Aufgabe für das Frachtgut gemacht worden sind. Ist das Gut ohne Einziehung der N. abgeliefert worden, so haftet die Eisenbahn für den Schaden bis zum Betrage der N. und hat denselben dem Absender sofort zu ersetzen, vorbehaltlich ihres Rückgriffs gegen den Empfänger. Bezüglich der Barvorschüsse verweist das IÜ. auf die für die Versandbahn geltenden Bestimmungen.


Für die Einziehung der N. wird von der Eisenbahn die tarifmäßige Nebengebühr (Provision) eingehoben. Diese beträgt in Deutschland für N. im vorhinein und nach Eingang bei Beträgen bis 100 M. 1% (mindestens 10 Pf.) und bei Beträgen über 100 M. für die ersten 100 M. 1%, für den überschießenden Betrag 1/2%, in Österreich-Ungarn für Barvorschüsse 2% und für N. nach Eingang 1/2%, in beiden Fällen mindestens 5 h. In Belgien werden für Barvorschüsse bis 20 Fr. 20 Ct., über 20 Fr. 25 Ct. für je angefangene 100 Fr. und für N. nach Eingang bis 200 Fr. 20 Ct., über 200–1000 Fr. 60 Ct., für mehr als 1000 Fr. 10 Ct. für je angefangene 1000 Fr. sowie eine feste Expeditionsgebühr von 50 Ct. eingehoben. In Frankreich unterliegen N. der tarifarischen Gebühr für die Beförderung von Geld. In Italien beträgt die Provision für Barvorschüsse 5 Ct. für je angefangene 10 Fr., mindestens 10 Ct., und für N. nach Eingang 1/4%, mindestens 25 Ct. In Rußland werden für N. nach Eingang für den Rubel im internen Verkehr 0∙5 Kopeken, im direkten Verkehr 1 Kopeke, mindestens 10 Kopeken erhoben. In der Schweiz beträgt die Provision für N. im vorhinein und nach Eingang 1/2%; mindestens werden eingehoben für N. von weniger als 10 Fr. 10 Ct., und für solche von 10 Fr. und darüber 15 Ct.

Grünthal.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 311-312.
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