Warmlaufen

[271] Warmlaufen (heating; chauffage; riscaldamento) bei Lokomotiven und Wagen, übermäßiges Erwärmen der Lager als Folge von Überwindung des Reibungswiderstands zwischen Lager und Stummeloberfläche.

Der Reibungswiderstand (W) läßt sich durch nachstehende Beziehung zum Ausdruck bringen:


W = f N,


wobei f den Reibungskoeffizienten, N den Gesamtdruck bedeutet.

Ein Teil der zur Bewältigung des Reibungswiderstands aufgewendeten mechanischen Arbeit wird in Wärme umgesetzt und hauptsächlich je nach der Größe dieser aufgewendeten mechanischen Arbeit (nebenbei auch je nach dem Einfluß sonstiger Umstände, z.B. der Witterung) kann das Lager entweder kühl bleiben, oder es kann ein Lau-, Warm- bis Heißgehen eintreten.

Aus dem Vorgesagten lassen sich für die Bauart und Behandlung der Lager zur Bekämpfung des W. nachstehende Grundsätze ableiten:

Bei Bemessung des Lagers bzw. Stummels ist in jedem einzelnen Fall auf die gesamte Reibungsarbeit (das Produkt aus Reibung und Relativgeschwindigkeit der aufeinander gleitenden Flächeneinheit) entsprechend Rücksicht zu nehmen und darnach der spezifische Auflagedruck (Druck auf die Flächeneinheit) zwischen Lager- und Stummeloberflächen in zulässigen Grenzen zu bestimmen; weiter sind die sich reibenden Teile in einem Zustand zu halten, der geeignet ist, die möglichst größte Verminderung des Reibungskoeffizienten zu verbürgen.

Diese Grundsätze kommen jedoch nur zur Geltung bei richtiger Montierung und Bearbeitung der Lager, entsprechender Wahl des Stummel- und Lagermaterials, sowie bei Anwendung sicher wirkender Schmiervorrichtungen.

Die Größe der bei Eisenbahnfahrzeugen zulässigen Reibungsarbeit, soferne hierbei keine fühlbare Wärme entwickelt werden soll, bewegt sich nach der Formel A = p f v (worin A die Gesamtreibungsarbeit in kgm für 1 cm2 und[271] 1 Zeitsekunde, p den Auflagedruck auf 1 cm2 in kg, f den Reibungskoeffizienten und v die sekundliche Umfangsgeschwindigkeit des Zapfens in m bedeutet) in den Grenzen von 2–2∙5 bei Lastwagen, 2–2∙2 bei Personenwagen, 1∙7–2∙4 bei Tendern und 1∙8–3 bei Lokomotiven. Nach obiger Formel kann sich der spezifische Auflagedruck im allgemeinen je nach den Zapfenabmessungen und in der Art der Belastung in den nachstehend verzeichneten Grenzen bewegen: von 30–50 kg bei Lastwagen, 12–35 kg bei Personenwagen, 20–30 kg bei Tendern, 10–23 kg bei Treib- und Kuppelachsen, 13–20 kg bei Drehgestellen, 120 bis 180 kg bei Treibstangenlagern, 280–320 kg bei Kreuzkopflagern und 60–90 kg bei Kuppelstangenlagern der Lokomotiven.

Ist der spezifische Auflagedruck nach dem anzunehmenden Größtwert der Reibungsarbeit bestimmt und das Lager bzw. der Stummel darnach bemessen worden, so ist vorzusorgen, daß dieser Auflagedruck während der Bewegung des Fahrzeugs durch äußere und innere Kräfteeinwirkungen, wie solche durch einseitigen Bremsdruck, geänderte Lage des Fahrzeugs durch Befahren von Bahnkrümmungen, ungleichmäßige Gewichtsverteilung, Übertragen des Kolbendrucks auf die Achsen u.s.w. hervorgerufen werden, nicht irgendwelche schädliche Änderungen erfahren könne, was sich nur durch genaue Montierung und Bearbeitung des Lagers erzielen läßt. Namentlich ist die richtige Messung des Kreuz- und Stichmaßes, bzw. die mit letzerem zusammenhängende Ausmessung der Treib- und Kuppelstangen, eine gleichmäßige Achsbelastung von großer Bedeutung. Das Lager selbst muß nicht nur auf den Stummel vollkommen aufgepaßt, sondern auch in das Lagergehäuse selbst genauestens eingepaßt werden. Jedes Hohl- und Schiefliegen des Lagers, sei es am Stummel oder im Lagergehäuse, ist zu vermeiden. Das Einpassen der Lager in die Oberteile richtet sich übrigens nach der Bauart der letzteren, doch muß für alle Fälle die genaue Montierung selbst den anscheinend unbedeutendsten Einzelheiten der jeweiligen Bauart vollkommen Rechnung tragen. Besondere Aufmerksamkeit und äußerste Genauigkeit können nicht genug empfohlen werden, weil jeder begangene Montierungsfehler sich meistens durch W. rächt, dessen Grund mitunter nicht leicht auffindbar und dessen Behebung daher auch nur mit Schwierigkeiten und großen Zeitverlusten zu erreichen ist.

Ein wichtiges Moment bildet auch das Einpassen der Lager in die Hohlkehlen der Stummel. Das Maß des Spielraums zwischen Hohlkehle und Lagerschale richtet sich zwar nach der Bauart des Fahrzeugs und den Richtungsverhältnissen der Strecke, für alle Fälle aber muß eine übermäßige Reibung der Lagerschalen an den Hohlkehlen verhindert werden, weil an letzteren Stellen die Schmierung erfahrungsgemäß erschwert ist.

Nicht minder wichtig ist das Bearbeiten der Lagerschalen und Stummel, deren reibende Teile vollkommen glatte Oberflächen haben müssen.

Die Achsstummel, Achshälse oder Zapfen werden glatt gedreht und häufig poliert. Die Lagerschalen werden mit Zuhilfenahme von Schabern satt aufgepaßt.

Was die Stummel ferner betrifft, so müssen diese genau zylindrisch und mit dem Radumfang konzentrisch sein. Ein Nachregulieren von Zeit zu Zeit muß empfohlen werden, weil sich erfahrungsgemäß die Stummel exzentrisch abnutzen und dadurch W. verursachen.

Bezüglich der Beschaffenheit des Baustoffes der Berührungsflächen sind nur geringe Abänderungen möglich, da alle Stummel aus Feinstahl, die Zapfen aus Feineisen oder Stahl, die Lager zumeist aus Rotguß mit Weißmetall (Ausguß) hergestellt werden. Es kommen aber auch eiserne Lagerschalen mit Weißmetall ausgegossen vor. Lager von Rotguß mit aus Weißmetall ausgegossenen Auflageflächen haben sich bisher sowohl bei Lokomotiven, als auch bei Wagen bestens bewährt.

Bei österreichischen Bahnen werden folgende Legierungen mit gutem Erfolg angewendet:

1. Für Lagerschalen aus Rotguß: Zinn 12%, Kupfer 86%, Zink 1%, Blei 1% mit Zusatz von 0∙3% Phosphorkupfer;

2. für den Weißmetallausguß: Zinn 78∙1%, Kupfer 9∙4%, Antimon 12∙5%, außerdem ein Zusatz von 0∙2% Phosphorkupfer.

Für das W. besonders empfindliche Lager können manchmal durch Anwendung von Rotgußlagerschalen ohne Weißmetallausguß, jedoch mit einem dünnen Zinnüberzug zum Kaltlaufen gebracht werden.

Die Rotgußlagerschalen werden vorher sorgfältigst (zuletzt ohne Minium, nur trocken) aufgepaßt. Das Lager ist darauf auf Koks- oder Holzkohlenfeuer zu legen und mit Salmiak metallisch rein zu beizen. Die Erwärmung ist so weit zu treiben, daß das an die Lagerschale angehaltene Lagerzinn (gewöhnliches Weichlot) schmilzt. Einige Tropfen flüssigen Zinns reichen hin, mit einem Ballen Putzwerg der Lagerschale einen gleichmäßigen Überzug zu geben, der vermöge seiner Weichheit die unvermeidlichen kleinen Unebenheiten des Stummels[272] ausgleicht. Dieser Zinnüberzug schwindet nach einigen Fahrten vollständig; nur jene Stellen am Stummel, wo Vertiefungen waren, zeigen sich als weiße Streifen oder Punkte.

Die wesentliche Anteilnahme an der Verminderung des Reibungskoeffizienten, somit auch an der Verhütung des W. fällt der Schmierung zu.

Als Schmiermaterial werden Öle pflanzlichen, tierischen und mineralischen Ursprungs verwendet.

Mineralöle sind allen anderen Mitteln vorzuziehen, weil sie nicht der Zersetzung durch die Atmosphäre unterworfen sind, während vegetabilische und animalische Mittel, die Säuren in größerer Menge enthalten, die Schmiervorrichtungen in kurzer Zeit zerstören und W. verursachen. Für Lager mit kleinem Auflagedruck, gleichviel ob bei Maschinen oder bei Wagen, genügen billige Mineralöle, wie solche im Handel unter dem Namen Wagen- oder Maschinenöl vorkommen, vollständig, nur empfiehlt es sich, im Winter dünnflüssige, im Sommer dagegen dickflüssige Öle zu verwenden. Bei Lagern unter hohem Druck, wie beispielsweise bei Treib- und Kuppelstangen solcher Lokomotiven, die lange Strecken ohne Aufenthalt mit großen Geschwindigkeiten durchfahren, ist die Verwendung bester Ölsorten anzuraten.

Beim Schmieren kommt es weniger auf die Menge der verwendeten Öle, als vielmehr darauf an, daß das Schmiermittel gleichmäßig der gesamten Reibungsfläche zugeführt werde. In Fällen, in denen die Schmierung der Lager von oben erfolgt, ist der Ausführung der Schmiernuten besondere Sorgfalt zu widmen, und sind diese in genügender Breite und Länge herzustellen. Die Schmiernutkanten sind stets so weit abzurunden, daß sie sich mit zunehmender Abnutzung des Lagers nicht scharf abschleifen können, da sonst das Öl abgestreift wird. Kreuz- oder einfache Quernut ist der Längsnut dort vorzuziehen, wo die Auflagefläche des Lagers an und für sich beengt ist, weil sonst durch die letztere Ausführungsweise die Auflagefläche bedeutend vermindert und der spezifische Druck erhöht wird. Wenn die Schmierung zwischen Schmiervorrichtung und Lager durch Dochte vermittelt wird, so ist vorzugsweise auf deren Saugfähigkeit zu achten, und können in allen Fällen, wo es sich bei Lagern unter hohem Druck um reichliche und sichere Schmierung handelt, Schafwolldochte bestens empfohlen werden.

Bei Unterschmierungen wirken Polster aus Baumwollfäden auf einem Blechgestell montiert und mit Federn an den Achsstummel von unten angedrückt, am sichersten. Die Polster dürfen nicht zu locker und nicht zu fest auf den Stummel drücken, denn im ersten Fall würde der Kontakt zwischen Stummel und Schmiervorrichtung aufhören und selbst bei hinreichendem Ölvorrat ein W. infolge Ölmangels entstehen; im zweiten Fall würde das Öl durch zu starke Pressung des Polsters gegen den Stummel weggewischt werden, ohne zur Schmierung zu gelangen. Manchmal wird an Stelle eines Schmierpolsters das Unterlager mit Baumwollabfällen gefüllt, wobei natürlich auf die eben gestreiften Umstände Rücksicht genommen werden muß. Wichtig bleibt es auch, daß die Schmiervorrichtung den Stummel in seiner ganzen Länge, sowie auch dessen Hohlkehlen berühre, namentlich wenn die Unterschmierung mit der Oberschmierung nicht vereinigt ist.

Ein gutes Mittel gegen W. ist die Reinhaltung der Lager und Schmiervorrichtungen. Es kann daher auch der sichere Verschluß bei Schmiervorrichtungen jeder Art nicht genug anempfohlen werden, weil sonst Wasser, Staub und feine Sandkörner in das Lager eindringen. Ebenso wichtig ist bei Lagerbüchsen der seitliche Verschluß, in welcher Beziehung Staubscheiben aus Holz, Filz, Leder oder imprägniertem Pappendeckel gute Dienste leisten. Bei bereits abgenutzten Stangenlagern hat sich die Anbringung von Filzeinlagen sehr gut bewährt.

Stellt sich bei der Fahrt aus irgend einer Ursache ein W. des Lagers ein, so ist zur Verhütung weiterer Schäden bei Fortsetzung der Fahrt das Lager vorerst reichlich nachzuschmieren. Ist das W. auf Ölmangel zurückzuführen, so wird es gewöhnlich in den meisten Fällen behoben werden können. Auch bei schlecht wirkenden Schmiervorrichtungen kann das W. durch Auswechseln der Saugdochte oder Erneuerung der Lagerwolle ohne Abstellung des Fahrbetriebsmittels beseitigt werden, wenn die Lager derart gebaut sind, daß die Vornahme dieser Arbeit rasch bewerkstelligt werden kann. Liegt ein Montierungsfehler vor, dann wird das W. allerdings nicht behoben werden können; immerhin soll aber getrachtet werden, durch reichliches Nachschmieren und allenfalls durch Begießen des Lagers mit Wasser die Fortsetzung der Fahrt zu ermöglichen. Steigert sich trotz aller Maßnahmen die Temperatur des Lagers oder steigt bereits Rauch auf, dann ist das Fahrzeug abzustellen. Ein gutes Mittel zur Linderung des W. bleibt immer Talg, vermischt mit Schwefelblüte, namentlich sobald ein Verreiben der[273] Stummel und Lager begonnen hat; selbstverständlich wird auch mit diesem Mittel ein W. nicht beseitigt, das auf mangelhafte Montierung oder nicht wirkende Schmiervorrichtung oder bereits stark verriebene Lager und Stummel zurückzuführen ist. Im Handel werden für das Abkühlen heißgelaufener Lager besondere »Kühlöle« angeboten, die manchmal sehr gute Ergebnisse gezeitigt haben.

Stangenlager der Lokomotiven sind im Falle von W. nachzuschmieren und sind die Stellkeile zu lüften. Dem Anziehen der Stellkeile ist namentlich bei gekuppelten Achsen die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden, da ein W. in vielen Fällen auf diesen Umstand zurückzuführen ist.

Außer dem W. von Achs- und Stangenlagern kommt bei Lokomotiven nicht selten ein W. von Bolzen der Steuerung vor, das so heftig werden kann, daß ein Verschweißen des Bolzens mit dem ausgebüchsten Loch eintritt. Ursache dieser Vorkommnisse ist zumeist ein Versagen der Schmierung oder Auftreten von großen Auflagedrucken, verursacht durch verriebene Schieber.

Marek-Rihosek.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 271-274.
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