Hahn, Heinrich Wilhelm

[360] Hahn, H. W. Heinrich Wilhelm Hahn wurde am 30. 10. 1760 zu Lemgo geboren, besuchte das dortige Gymnasium und trat 1774 als Lehrling in die bekannte Meyersche Buchhandlung in Lemgo ein. Er war dann bei Helwing in Hannover als Gehilfe thätig, bis er, mit Unterstützung des Hannoverschen Gesandten, Staatsminister von Reden und dem Arzt, Hofrat Zimmermann, im September 1792 eine Sortiments- und Verlagsbuchhandlung unter der Firma Gebrüder Hahn in Hannover, begründete, zu dem bald ein jüngerer Bruder, Bernhard Dietrich Hahn (gest. 1818), noch hinzugezogen wurde. Den Verlag vergrößerte er durch Ankauf der Ritscherschen Buchhandlung in Hannover (1803), der Trampeschen Buchhandlung in Halle (1806), einer Reihe von Artikeln der Juniusschen Buchhandlung in Leipzig, und 1810 übernahm er die von Caspar Fritsch gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Leipzig begründete, später von dessen Sohn Zacharias Remigius Fritsch durch Ankauf mehrerer anderer Handlungen bedeutend erweiterte Verlagsbuchhandlung, die nun die Grundlage für die Hahnsche Verlagsbuchhandlung in Leipzig abgab. Die Firma Caspar Fritsch hatte in sich aufgenommen: 1760 die von Johann Christian Martini in Leipzig, dessen Handlung bereits 1727 durch diejenige von Joh. Siegmund Strauß in Hof vergrößert worden war – dann 1766 die Firma Johann Wendler in Leipzig, die 4 Jahre früher den gesamten Verlag von Chr. Franz Buch in Jena erworben hatte. So dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir in dem Hahnschen Verlagskataloge hier und da noch Verlagsartikel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und früher finden.

1818 nahm Hahn, der am (4. 3. 1831 zu Hannover starb), seinen Sohn Heinrich Wilhelm Hahn (geb. 1795) als Teilhaber auf; das Leipziger Geschäft wurde von dem zweiten Sohn Bernhard[360] Heinrich Hahn (geb. 1797) bis 1843 geleitet, ging dann aber in des ersteren Besitz über, der bereits seit 1831 Inhaber des Hannoveraner Geschäftes, das seit 1817 unter der Firma Hahnsche Hofbuchhandlung betrieben wurde, war.

Heinrich Wilhelm Hahn (Sohn) brachte das Geschäft auf die bedeutende Höhe, die es in die Reihe der ersten Verlagsgeschäfte Deutschlands stellte.

Oberkommerzrat H. W. Hahn starb am 19. 4. 1873, worauf da Geschäft an seinen Enkel Herbert Wilhelm Adolf von Thielen überging. Der Verlag der Hahnschen Verlagshandlung in Leipzig und der Hahnschen Buchhandlung in Hannover ist seit 1892 in der Firma Hahnsche Buchhandlung in Hannover und Leipzig vereinigt.

Ueberblicken wir die ganze Verlagsproduktion von Beginn der Firma an, so tritt uns eine reiche Thätigkeit entgegen, die alle Gebiete menschlichen Wissens umfaßt. Aus den übernommenen alten Firmen stammen Namen wie F. J. Bertuch und J. C. Gottsched. Das bedeutendste Hahnsche Verlagskind ist aber unzweifelhaft das deutsche Nationalwerk »Monumenta Germaniae historica inde ab anno Christi 500, usque ad annum 1500«. Auf Veranlassung des Freiherrn von Stein 1826 begründet, wurde diese umfassende Quellensammlung der deutschen Geschichte zunächst von Dr. Hch. Pertz herausgegeben, später von Waitz, Wattenbach und Dümmler fortgeführt und ist bis jetzt auf 30 Teile (Subskriptionspreis 1804 Mk. 50 Pf.) in der Folio- und 24 in der Neuen Quart-Ausgabe gediehen. Für die Geschichtsfreunde, denen die Anschaffung des Gesamtwerkes zu kostspielig war, wurden wohlfeile Handausgaben der interessantesten und wichtigsten Scriptores zum Schulgebrauch ins Leben gerufen, die Scriptores rerum Germanicarum, 1840 uff. Den Boden für die Monumenta vorzubereiten war dem »Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde« beschieden, das zuerst in der Andreäschen Buchhandlung in Frankfurt a. M. erschien, seit 1824 bei Hahn verlegt wurde und seit 1876 unter dem Titel »Neues Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde etc.« erscheint. Der Historiker Dr. Hch. Pertz hat noch mehrere Geschichtswerke, darunter die »Schrifttafeln zum Gebrauche bei diplomatischen Vorlesungen« bei Hahn erscheinen lassen, ebenso Waitz sein »Leben Ulfilas«, 1841. – Von Gesamtwerken finden wir vertreten: Adolf Freiherr von Knigge (sein »Umgang mit Menschen« erschien in erster Auflage 1788); C. F. Gellerts Schriften in einer neuen Ausgabe, 1839 uff.;[361] G. W. Leibnitz ges. Werke, 1843 uff.; Henriette Hanke geb. Arndt sämtliche Schriften, 126 Bände, 1841-57, u.s.w. Bekannte Namen wie K. Gödeke (Elf Bücher deutscher Dichtung, 2 Bde. 1849); Karl Simrock (Gedichte 1844) etc. schließen sich an. – Der durch seine vielfach steifen Radierungen zu zahlreichen Taschenbüchern und Romanen aus der Epoche von Wieland bis Clauren bekannte Joh. Hch. Ramberg ließ seine beiden Mappen: Tyll Eulenspiegel, 55 Radierungen, und Reineke Fuchs, 30 Blätter, im Hahnschen Kommissionsverlag erscheinen. – Auf dem Gebiete der Schullitteratur müssen vor allem Dr. K. E. Georges lateinische Wörterbücher genannt werden; ihm schließen sich die überall bekannten Schulbücher von Dr. Joh. Leunis (Synopsis der drei Naturreiche, 1844 uff.); Dr. R. Kühners Grammatiken; Fr. Kranckes Rechenbücher; Guthe-Wagners Geographie und Wittsteins Logarithmentafeln an. – Hahn ist der Originalverleger des verbreiteten Fremdwörterbuches von J. C. A. Heyse, 1. Auflage 1804, 17. Originalausgabe von Dr. Otto Lyon 1896; ferner von Dr. Th. Heinsius, Volkstümliches Wörterbuch der deutschen Sprache, 4 Bde. 1818-22. – Eine umfangreiche Sammlung griechischer und lateinischer Schriftsteller, Lehr- und Wörterbücher, sowie ein bedeutender Schulbücherverlag mehr lokalen und provinziellen Charakters schließen das Schulgebiet ab.

In der Theologie finden wir neben den Hannoverschen Bibelausgaben eine bedeutende Anzahl homiletischer Schriften, Andachts- und Erbauungsbücher. Die Rechts- und Staatswissenschaft befaßt sich vorwiegend mit Hannoverschen Gesetzesausgaben und dazu gehöriger Kommentare. – Medizin und Naturwissenschaft verzeichnen Autoren wie C. F. T. Krause, Handbuch der Anatomie, 3 Bde. 1876-81; Mühry, Stieglitz, Stromeyer; Brandes, Credner, Frank, Volger etc. – Neben den schon angeführten Geschichtswerken stehen Namen wie H. Grote, Herausgeber der von 1855-77 erschienenen Münzstudien und Stammtafeln; Fr. Graf v. d. Decken; Dr. J. G. Eichhorn (Geschichte der letzten 3 Jahrhunderte, 6 Bde. 1817-18); Bodemann, Hch. Düntzer u. v. a. Selbst die Landwirtschaft und Gartenbau haben in Dr. A. Thaer, Honstedt, Rohlwes, Wendland und Bosse (Blumengärtnerei, 3. Auflage 1859-61) hervorragende Vertreter gefunden.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1892; Illustrierte Zeitung Nr. 1339; Pierers Konversations-Lexikon 1859; Hanke, Meine Hausgötter, Hannover 1849; Verlagskataloge 1824, 1827, 1832, 1839, 1848, 1849, 1853, 1860, 1871, 1875, 1887, 1901; Neues Vaterländisches Archiv 1831.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 360-362.
Lizenz:
Faksimiles:
360 | 361 | 362

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die geschwätzigen Kleinode oder die Verräter. (Les Bijoux indiscrets)

Die geschwätzigen Kleinode oder die Verräter. (Les Bijoux indiscrets)

Die frivole Erzählung schildert die skandalösen Bekenntnisse der Damen am Hofe des gelangweilten Sultans Mangogul, der sie mit seinem Zauberring zur unfreiwilligen Preisgabe ihrer Liebesabenteuer nötigt.

180 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon