Schmitzdorff, Heinrich

[850] Schmitzdorff. Es war im Beginn des Winters 1827, als ein Hamburger, den der große Brand in seiner Vaterstadt um Hab und Gut gebracht und der sich nach Rußland gewandt hatte, um hier das ihm treulos gewordene Glück wiederzufinden, als Heinrich Schmitzdorf im Stoljarnyj-Pereulok in St. Petersburg ein Geschäft eröffnete, das bald vortrefflich gedieh. Seine frühere Beschäftigung als Lehrer der alten Sprachen und Kalligraph aufgebend, gründete er in jenem Jahre eine Leihbibliothek, mit welcher seine lithographische Anstalt verbunden war. Es war ein glücklicher Gedanke. Der stets lesebedürftigen und wissensdurstigen deutschen Kolonie der Residenz genügte die eine bestehende deutsche Buchhandlung schon nicht mehr, die Gründung einer zweiten war wirklich ein Bedürfnis und mußte auch für den Unternehmer von Vorteil sein. Mit der beifälligen Aufnahme, mit dem eifrigen Zuspruch des Publikums wuchs auch die Tätigkeit, die Unternehmungslust Schmitzdorffs und die ursprüngliche Leihbibliothek ward zu einer Kommissions- und Verlagsbuchhandlung erweitert.

Nach Schmitzdorffs Tode ging das Geschäft zunächst an Julius Gillis über, der es 1856 Eduard Minlos übergab. Im Jahre 1860 traf Carl Röttger als Teilhaber ein und übernahm die Buchhandlung dann am 14. 4. 1863 käuflich auf eigene Rechnung.

Röttger hatte es sich stets angelegen sein lassen, nach zwei Seiten hin zu wirken. Nicht mehr sollte das Geschäft bloß eine Schleuse sein, durch welche uns der befruchtende Strom westlichen Wissens und Forschens zugänglich gemacht wird, nein, es sollte und wollte jetzt auch die Quelle bilden, aus welcher alle, denen das weite russische Reich, seine Kultur, sein Wollen und Können am Herzen liegt, die sich für die Entwickelung des Volkes der »Moskowiter« interessieren – Kenntnis und Belehrung zu schöpfen vermöchten. »In objektiver Darstellung autentisches Material für die Kenntnis Rußlands zu geben« – das war das Bestreben des Handlungshauses, neben dem früheren, die Einheimischen stets über das Neueste und Beste auf allen Gebieten der Literatur und der vervielfältigenden Künste auf dem Laufenden zu erhalten.[850]

Dieses Bestreben fand endlich in der Gründung eines entsprechenden Journals seinen beredten Ausdruck, in der Herausgabe der seit 1872 erscheinenden »Russischen Revue«. Einen gleichen Zweck verfolgten auch die »Statistischen und anderen Mitteilungen aus Rußland«. Die erhöhte Verlagstätigkeit rief dann die Gründung einer eigenen Druckerei hervor, und ließ die seit 1865 bestandene Typograhische Anstalt von Röttger & Schneider außer den schon genannten periodischen Schriften, namentlich noch die »Medizinische Wochenschrift«, den »Herold« und den wohlbekannten »St. Petersburger Kalender« aus ihrer Presse hervorgehen.

Von 1865-75 stand mit der Buchhandlung das geographische Magazin des Generalstabes in Verbindung, und in der Sphäre der Kunst haben die Bemühungen Röttgers hüben und drüben die vollste Anerkennung gefunden. Beispielsweise sei verwiesen auf die 1866 erfolgte Veröffentlichung der »Kunstschätze der Kaiserlichen Eremìtage«, welche dem Herausgeber auf der Wiener Ausstellung die Verdienstmedaille eingetragen haben, auf die »Gallerie de la maison des Romanoff« u. A.

1883 erwarb die kaiserliche Hofbuchhandlung H. Schmitzdorff der Buchhändler R. Hammerschmidt, der sie 1890 an Otto Röttger und Oscar Kranz abtrat.

Quellen: Börsenblatt f. d. deutsch. Buchhandel 1877.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 850-851.
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