Walther, Hermann

[1022] Walther, H. Hermann Walther stammte aus einer althessischen Beamtenfamilie. Sein Vater war Amtmann in Witzenhausen, wurde später Stadt-Gerichtsdirektor in Kassel, zuletzt General-Auditeur der hessischen Armee und 1866 von Preußen als solcher pensioniert. Seine Mutter war eine Tochter des Kapellmeisters Guhr, den Riehl »das musikalische Genie des Leichtsinns« genannt hat. Walther war noch auf der Schulbank, als der Tod des Ernährers 1867 allen Plänen auf höhere Karriere plötzlich ein Ende bereitete. Die Mutter als vermögenslose Beamtenwitwe war nicht imstande, den Kindern viel abzugeben; da entschloß sich Hermann, der Jüngste, ganz selbständig seinen eigenen Weg einzuschlagen. Er verließ die Obersekunda des Gymnasiums und damit die Traditionen seiner Familie, ernährte sich durch Stundengeben und trat, sobald er eine Stelle gefunden, in ein Bankgeschäft. Nach zwei Jahren glückte es ihm, ohne eigentliche Empfehlungen, in einer großen Berliner Bank eine sehr auskömmlich dotierte Stellung zu erhalten, und da ja gerade die goldenen Zeiten des Geschäfts eintraten, so war er in der Lage, eine Reise nach Italien zu machen und noch einige Ersparnisse zurückzulegen. Das Bank- und Börsenleben aber sagte seiner Natur auf die Dauer schlechterdings nicht zu. Er ging in die Museen und studierte namentlich die plastischen Werke; er vertiefte sich in religions-philosophische Studien. Er lebte nicht, wie sonst meist die jungen Leute, in einem möblierten Zimmer und hatte daneben seinen Mittagstisch, sondern er trat in Pensionen ein, wo er mit den verschiedensten Menschen, namentlich Ausländern, in Berührung kam, Lebensanschauungen austauschte und Beziehungen, darunter sehr wertvolle, anknüpfte. Seine eigene Tischunterhaltung hatte eine solche Anziehungskraft, daß, wo er lebte, sich der Tisch bald verlängerte und die pensionshaltenden Damen von einer dankbaren Freundschaft für ihn erfüllt wurden.

Um nun zu einem befriedigenden Dasein zu gelangen, mußte er einen Beruf wählen, in dem der Geschäftsmann in ihm, was er nun einmal war, sich mit seinen ererbten und selbst anerzogenen geistig-literarischen Tendenzen vermählen konnte. Er sattelte um, gab seine gut bezahlte Kontorstellung auf und trat im Jahre 1876 als Volontär in die Stuhr'sche Buchhandlung in Berlin ein. Sehr[1022] schnell arbeitete er sich in das neue Gebiet ein. Bücherkenntnis auf einigen Gebieten brachte er bereits mit, Buchführung kannte er, Wesen des Verlages, der Druckerei, Papierkenntnis, Bedürfnisse des Publikums gingen ihm bald auf. Ein reicher Kaufmann, in dessen Haus Walther durch einen Neffen eingeführt war, bot ihm, als er von seinen Wünschen, sich selbständig zu machen, hörte, aus freien Stücken Kapital an. Er suchte sich einen Sozius in Emil Apolant und beide eröffneten 1879 einen Buchladen in Berlin in der Markgrafenstraße unter der Firma Walther & Apolant.

Das Sortimentsgeschäft schlug so gut ein, daß Walther sich allmählich mehr und mehr dem Verlage zuwenden und endlich sich ganz aus dem Sortiment zurückziehen konnte.

Am 1. Januar 1891 ging der Verlag in den alleinigen Besitz Walthers über, der ihn unter seinem eigenen Namen fortführte, während das Sortiment unter der alten Firma von Emil Apolant übernommen wurde. Nach dem Tode Walthers, im Jahre 1896, erwarb Friedrich Bechly am 1. Juli 1896 die Verlags-Firma, welche am 1. April 1901 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt wurde.

Von Beginn an war der Verlag Walthers ein politischer, volkswirtschaftlicher, der Tagesfragen aller Art behandelte. Es dürfte kaum eine wichtige politische oder volkswirtschaftliche Frage in den letzten Jahrzehnten zur Diskussion gestanden haben, die nicht in irgend einer Schrift des Verlages Berücksichtigung gefunden hätte.

Außer der Naturwissenschaft ist ferner die Pädagogik, speziell in der Richtung der Psychologie und Psychopathologie, neuerdings in den Rahmen der Verlagstätigkeit hineinbezogen. In der Naturwissenschaft nahm man besonders auf illustrierte Werke populärer Art Bedacht, während das Gebiet der Pädagogik im weitesten Sinne gepflegt wurde.

Walther war auch Verlager der »Preußischen Jahrbücher«. Ihr Herausgeber, Dr. Hans Delbrück, stellte ihm 1896 für seine Wirksamkeit an der Zeitschrift folgendes Zeugnis aus: »Am Gründonnerstag starb, noch nicht fünfundvierzig Jahre alt, der Verleger der »Preußischen Jahrbücher«, Hermann Walther. Wenig über drei Jahre hat er die geschäftliche Leitung unserer Zeitschrift in Händen gehabt, aber wenn die »Preußischen Jahrbücher« einmal in der Geschichte des geistigen und politischen Lebens Deutschlands eine Rolle spielen, so wird seine Name dabei nicht übergangen werden dürfen. Verdoppelung des Umfanges und Erweiterung des Leserkreises um die Hälfte bezeichnen die Epoche seiner Tätigkeit, und wenn seiner geschäftlichen Energie dabei nicht das Wenigste zu danken ist, so[1023] rührte das wieder daher, daß er für das Wesen unserer Zeitschrift ein Verständnis hatte, das seiner Tatkraft und Rührigkeit auch die richtigen und passenden Wege finden ließ.«

Von den hervorragenden Verlagswerken der Firma seien noch insbesondere genannt: Herm. v. Wissmann, Unter deutscher Flagge quer durch Afrika; die Schriften von Professor Dr. Hans Delbrück, von Graf Paul von Hoensbroech, Dr. Carl Peters, Ernst Curtius, Dr. Otto Arendt, sowie Dr. E. Baders naturwissenschaftliche Schriften.

Quellen: Börsenblatt f. d. dtschn. Buchhandel 1896; Korporationsbericht der Berliner Buchhändler 1897; Verlagskatalog 1902.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 6. Berlin/Eberswalde 1908, S. 1022-1024.
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