Gewölb

[478] Gewölb. (Baukunst)

Eine nach einer oder mehrern eingebogenen Flächen über ein Gebäude, oder über einen Theil desselben weggeführte Deke, gemeiniglich von Steinen gemauert. Die eigentliche Beschaffenheit der Gewölber, ihre Festigkeit und die Regeln, wornach alles zu machen ist, gehören zum Mechanischen der Kunst und kommen hier nicht in Betrachtung.

Die gewölbte Deke hat etwas kühneres, und vermuthlich auch aus andern Gründen gefälligeres für das Aug, als die gerade. Wir finden unsern allgemeinen Wohnplatz, die Erde, mit dem erhabenen Gewölbe des Himmels weit angenehmer bedekt, als wenn er die Gestalt eines vierekigten mit einem geraden Boden bedekten Zimmers hätte, und grossen Gebäuden, dergleichen die Kirchen sind, geben die Gewölber ein herrlicheres Ansehen, und das Gepräg eines großen und kühnen Werks. Es scheinet auch, als wenn das Wolgefallen, das wir an hohen und gewölbten Gebäuden haben, zum Theil daher rührte, daß ein solcher Raum uns weniger einschränket. Gewölber über ganze Gebäude, dergleichen die Cupeln der Tempel sind, geben ihnen allemal ein großes und empfindungwürkendes Ansehen. Daher wird auch jeder Baumeister, der einem großen Saal den völligen Charakter der Größe geben will, lieber eine gewölbte, als eine gerade Deke darüber machen.

Das Gewölb kann verschiedene Formen annehmen, die man auf drey Gattungen bringen kann, welche sich nach der Gestalt der Kugel, oder der Pyramide des Cylinders richten. Diese verschiedenen Formen entstehen natürlicher Weise aus der Beschaffenheit des Gebäudes oder Zimmers, das man zu überwölben hat. Wenn dieses rund ist, so kann es nicht anders, als durch ein Kugelgewölbe zugewölbet werden, welches die Form einer halben Kugel, oder auch eines halben Eyes hat. Ist das Zimmer vierekigt, so wird es am besten durch ein Creuzgewölbe überwölbet, das einer vierekigten Pyramide gleichet, deren Seiten vom Grunde gegen die Spitze nach Kugelflächen laufen. Ist das Zimmer nach Beschaffenheit seiner Breite sehr lang, wie eine Gallerie, so schiket sich das cylindrische Gewölb am besten. Ist es völlig nach der Fläche eines halben Cylinders, so wird es ein Tonnengewölb genennt; wenn es aber auch von den schmalen Seiten her gewölbet ist, so bekömmt es den Namen des Muldengewölbes.

Die Gewölber können auf verschiedene Weise verziert werden. Die Kugelgewölber werden durch Streifen, die oben gegen den Schluß des Gewölbes zusammen laufen; die cylindrischen, durch solche Streifen, die als halbe Cirkelbogen über die Breite des Gewölbes gezogen sind, in Felder eingetheilt, und jedes Feld kann wieder durch Zierrathen ausgeschmükt werden1. Ein Gewölbe von guten Verhältnissen und anständigen Verzierungen giebt dem Gebäude ein sehr gutes Ansehen; es erfodert aber einen in seiner Kunst sehr geübten Baumeister.

1S. Felder.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 478.
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