Narcissus

[342] Narcissus (Gr. M.), Sohn des Cephissus und der Liriope, also göttlichem Stamme entsprossen, Abkömmling eines Flussgottes und einer Nymphe, war so schön als kaltsinnig, was seine Mutter um seine Zukunft besorgt machte; sie frug Tiresias, und dieser sagte, er würde lange leben, wenn er sich nicht selbst kennen lernte. Diess räthselhafte Orakel wusste Niemand zu lösen; endlich entwickelte sich die verborgene Deutung. Durstig von der Jagd heimkehrend, beugte er sich über einen klaren Quell, sah darin sein Bild und entbrannte auf's Heftigste zu Liebe zu demselben, es nicht für ein Phantom, sondern für einen wirklichen Gegenstand haltend, bis er an seinen Waffen und seiner Kleidung sich selbst erkannte, und sich nun in unfruchtbarem Gram und thörichter Liebe verzehrte, wie einst aus Liebe zu ihm sich die holdeste der Nymphen, Echo, verzehrt hatte, so dass von ihr nichts als die Stimme übrig war. N. ward[342] von den Göttern in die Blume seines Namens verwandelt, deren geneigtes Haupt sich noch gerne im klaren Quell bespiegelt.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 342-343.
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