Opfer, das

[605] Das Opfer, des -s, plur. ut nom. sing. ein jedes sichtbares Ding, welches der Gottheit zur Abbildung seiner eigenen Übergabe an dieselbe, dargebracht wird. Ein blutiges Opfer, oder Schlachtopfer, wenn es in einem lebendigen Geschöpfe bestehet, welches alsdann geschlachtet, und oft auch in der engsten Bedeutung ein Opfer schlechthin genannt wird, zum Unterschiede von einem unblutigen Opfer, welches in einem jeden andern Dinge bestehen kann. In weiterer Bedeutung wird oft, besonders in der Römischen Kirche, alles ein Opfer genannt, was zum Behuf des Gottesdienstes und der gottesdienstlichen Personen geschenkt und dargebracht wird. Im weitesten Verstande ist, besonders in der[605] höhern Schreibart, ein jedes Ding, eine jede Sache, welche man einem andern zum Zeichen seiner Unterwürfigkeit, seiner Ergebenheit darbringet, ein Opfer. Ein Opfer bringen. Einem etwas zum Opfer bringen. In engerer und figürlicher Bedeutung, ist das Opfer so wohl eine Sache, deren Eigenthumes man sich um eines andern willen begibt, als auch ein Gegenstand, auf welchen die Schuld eines andern übertragen wird, und in weiterer Bedeutung, ein jedes Ding, welches der Gegenstand eines von einem andern ihm zugefügten Übels ist, wo die Figur von einem Schlachtopfer oder blutigen Opfer entlehnet worden. Die Gerechtigkeit verlanget ein Opfer. Oft wird die Unschuld ein Opfer der Tyranney und überlegenen Macht. Ein Opfer der Leidenschaft eines andern werden.

Anm. Schon im Isidor Offerung, bey dem Ottfried Oppher, im Tatian Obphar, im Dän. und Schwed. Offer, im Wallis. Abert, im Böhm. Ober. Gemeiniglich glaubt man, daß es aus dem Lat. offerre, obferre, oder gar aus dem Griech. επιφορα, entlehnet sey. Allein, es kann auch, wie so viele andere eine bloß buchstäbliche Übersetzung des Lateinischen Ausdruckes seyn, weil so wohl das Vorwort ob, auf, Nieders. up, als auch das Zeitwort bären, tragen, bringen, ferre, φερειν, ehedem sehr üblich waren. Auf ähnliche Art hieß ein Opfer im Angels. Tiber, von toberau, zubringen, zutragen. Man hatte ehedem noch andere gleichbedeutende Ausdrücke, wohin das Ghelstar und Ghelstro im Isidor, von gelten, das Blostar bey eben demselben, und Blot der alten mitternächtlichen Völker, das Hunsl der Gothen, und Husl der Angelsachsen, und das Vuiechuuerch des Notker gehören.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 605-606.
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