Reihen, der

[1051] Der Reihen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, welches noch in einer doppelten, dem Anscheine nach verschiedenen, aber doch genau verwandten Bedeutung vorkommt. 1) Ein Gesang, ein Lied. De uns dissen Reyen gesank, der uns dieses Lied sang, in einem alten Niederdeutschen Liede, bey dem Frisch. Dem Stosch zu Folge, hat das Lied, wenn mein Stündlein vorhanden ist, in einigen alten Gesangbüchern noch einige Verse mehr, als in den neuen, worunter sich der letzte so anfängt:


Wer ist, der uns diese Reihen sang,

Ist alt und wohl betagt u.s.f.


Auch bey den Schwäbischen Dichtern kommt das Wort Reien in dieser Bedeutung noch mehrmahls vor. Jetzt ist es in diesem Verstande nur noch hin und wieder unter dem Volke üblich; besonders pflegen die Bergleute ihre Lieder und Gesänge noch Bergreihen zu nennen. S. Reim und das Zeitwort 1 Reihen. 2) Eine Art eines Tanzes, wobey mehrere in einem Kreise, oder doch in einer Reihe tanzen und dazu singen, der Reihentanz; eine der ältesten Arten des Tanzes, welche noch unter dem gemeinen Volke üblich ist, und schon in der Deutschen Bibel vorkommt, wo Luther ihn härtern Mundarten zu Folge Reigen nennet. Alle Weiber folgten ihr mit Pauken am Reigen, 2 Mos. 15, 30. Als Mose das Kalb und den Reigen sahe, Kap. 32, 19. Wenn ihr sehet, daß die Töchter Silo heraus mit Reigen zum Tanze gehen, Richt. 21, 21.


Daß er diesen stolczen Layen

Vidlet den newen Rayen,

Hornegk.


Sie danntzten mit einander ein Rayen,

Theuerd. Kap. 102.


Ich will heute noch einen Reihen mit dir tanzen,

Weiße.


Und denkt mit süßer Lust an seinen ersten Reigen,

Zach.


Pictorius erkläret das Wort Reigentanz ausdrücklich durch Dänz in Ringsweis, wenn man dazu singt. Allein in weiterer Bedeutung wird es unter dem Volke, wo dieses Wort noch am meisten gangbar ist, von einem jeden kreisförmigen Tanze mehrerer gebraucht, auch wenn er nicht mit Gesang begleitet wird. Den Reihen führen, oder den Vorreihen haben, der erste in einem solchen Reihentanze, S. Rädelsführer. Unter dem großen Haufen sind diese Reihentänze auch unter andern Nahmen bekannt, wohin der Putkenpad im Osnabrückischen gehöret, womit eine Hochzeit beschlossen wird, und wobey man in einer langen Reihe die Häuser und oft das ganze Dorf durchtanzet. In einigen Gegenden wird er ausdrücklich der Rigen, in andern Haverdanz, in noch andern auch der Rüterdanz, Reutertanz genannt, wo Reuter von Reihen nur im Endlaute verschieden zu seyn scheinet, denn im Italiänischen heißt ein solcher Reihentanz Ridda, und daß auch im Deutschen Rädlein dafür üblich gewesen, ist schon bey dem Worte Rädelsführer angemerket worden.

Anm. Im Niederdeutschen in beyden Bedeutungen Rigen, in einigen gemeinen Hochdeutschen Mundarten Reigen. Es ahmet ursprünglich den Laut nach, so wohl des Singens, als auch des Tanzens, daher beyde Bedeutungen Geschwister, nicht aber Abkömmlinge von einander sind. Auf ähnliche Art sind das veraltete rechen, (S. Rechen und Rechnen,) reden, und andere mehr, Ausdrücke so wohl einer Art des Lautes, der Stimme, als auch einer Art der Bewegung. Das Ital. Ridda, ein Reihen, und das Lat. Restis, eine Art eines Tanzes, sind nur im Endlaute verschieden. Bey dem Hornegk kommt auch das nun veraltete Zeitwort reihen für tanzen vor, und in einigen Oberdeutschen Gegenden ist umreihen, in noch weiterer Bedeutung, herum schweifen,[1051] herum streichen. Zur ersten Bedeutung eines Gesanges gehöret auch unser Reim, S. dasselbe, ingleichen das folgende.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1051-1052.
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