Rein

[1055] Rein, -er, -este, adj. et adv. 1. Eigentlich, glänzend, hell poliert; eine größten Theils veraltete Bedeutung, in welcher man doch noch sagt, der Spiegel ist nicht rein, wenn er nicht den gehörigen Glanz hat.

2. In weiterer Bedeutung, von allem Schmutze frey.

1) Eigentlich, im Gegensatze des unrein. Reine (unbeschmutzte) Wäsche. Das Glas ist nicht rein. Die Wäsche ist nicht rein gewaschen. Ein Glas rein ausspülen. Ein reines Hemd, ein weißes. Ein reines Bett. Ein reiner Teller.[1055]

Die Schuhe rein machen. Die Stube ist nicht rein gekehret. Den Mund, die Hände rein halten, von allem Schmutze frey. Reinen Mund halten, figürlich, verschwiegen seyn, im mittlern Lat. bonum os habere. Die Hände sind nicht rein. So rein, wie ein frisch gefallener Schnee.

Ingleichen als ein Hauptwort. Einen Entwurf, einen Aufsatz in das Reine bringen, in das Reine schreiben, ihn sauber abschreiben, so daß er von Schmutz, von Ausbesserungen u.s.f. frey sey. Einen Riß, eine Zeichnung in das Reine bringen. Figürlich ist eine Sache in das Reine oder auf das Reine bringen, sie in Ordnung, zur Richtigkeit bringen, sie berichtigen. Vielleicht wäre die Sache auf Ein Mahl ins Reine gebracht, Weiße.


Freund, bringe mir zuerst aufs Reine,

Daß in den neuen Welten Weine,

Wie in der, die wir kennen, sind,

Less.


Wir sind noch nicht mit einander auf das Reine, zur Richtigkeit, wir sind darin noch nicht einig.

2) Figürlich. a) Von einer schmutzigen, unangenehmen Krankheit frey; im Gegensatze des unrein. Wenn jemand von der Krätze u.s.f. geheilet worden, so sagt man, er sey wieder rein. Reines Vieh, reine Schafe, im Gegensatze des unreinen Viehes, oder des Schmierviehes, d.i. solcher Schafe, welche gewöhnlich mit der Krätze behaftet sind, und daher geschmieret werden müssen. b) In denjenigen gottesdienstlichen Lehrbegriffen, wo man durch Anrührung ekelhafter oder dafür gehaltener und verbothener Dinge eine Art von moralischer oder gottesdienstlicher Anrüchtigkeit oder Unehrlichkeit bekommt, ist rein von solcher Anrüchtigkeit frey, im Gegensatze des unrein. In der Deutschen Bibel kommt es in diesem Verstande, so wie bey den heutigen Juden, Türken u.s.f. häufig vor. c) Eßbar, was gegessen werden kann und darf; eine in der Deutschen Bibel sehr häufige Bedeutung, welche auch noch bey den heutigen Juden gangbar ist. Reine Thiere. Der Esel war unrein, d.i. nicht eßbar, ob er gleich bey den ältern Juden ohne Bedenken zum Reiten u.s.f. gebraucht werden konnte. d) Von Fehlern und Irrthümern frey. Ein reiner Grabstichel, bey den Kupferstechern, dessen Stiche rein, d.i. frey von allen Fehlern, sind. Eine reine Stimme, in der Musik, welche jeden Ton deutlich und genau, weder zu hoch noch zu tief angibt. Das Clavier ist nicht rein gestimmt, hat keinen reinen Ton. Ein Wort rein aussprechen, ohne allen fehlerhaften Zusatz. Eine Sprache rein schreiben, ohne Fehler und Unrichtigkeiten. Reines Deutsch, reines Lateinisch schreiben. Die reine Schreibart. So fern diese Ausdrücke aber frey von fremden Wörtern und Wortfügungen bedeuten, gehören sie zur folgenden dritten weitesten Bedeutung. Eine reine Lehre, in der Theologie, welche von allen Irrthümern und Ketzereyen frey ist. In der Lehre nicht rein seyn. e) Von Verbrechen und Vergehungen frey; eine in der Deutschen Bibel sehr häufige Bedeutung. Ein reines Herz u.s.f. Eine reine Liebe, eine reine Wollust, welche von allem strafbaren Zusatze, von sinnlichen Begierden frey ist. Sich rein wissen, frey von einem Vergehen. Jemanden rein sprechen, für unschuldig erklären. Sich rein brennen, im gemeinen Leben, sich für unschuldig auszugeben suchen. Ein reines Gewissen, welches sich keines Verbrechens oder Vergehens bewußt ist. Er ist in dieser Sache nicht rein, nicht ohne Schuld. In der engsten Bedeutung ist rein frey von aller Vergehung wider die Gesetze der Keuschheit, und darin gegründet. Reine Gedanken, keusche. Eine reine Jungfer, eine unbefleckte, in welcher R.A. der Gegensatz unrein nicht üblich ist. Ein reines Leben, ein reiner Wandel.

3. In noch weiterer Bedeutung, von allem Zusatze, und in etwas engerm Verstande, von allem geringerm Zusatze frey; im[1056] Gegensatze des unrein. Reines Wasser. Reiner Wein. Jemanden reinen Wein einschenken, figürlich, ihm die Wahrheit ohne allen fremden Zusatz sagen. Die reine Wahrheit sagen. Reines Silber, reines Gold, welches mit keinem andern Metalle vermengt ist, und welches man auch feines Silber und feines Gold nennet. Ein Edelstein ist nicht rein, wenn sich fremde Körper darin befinden. Eine reine Luft. Eine reine Stimme. Ein reiner Bogen Papier, welcher noch unbeschrieben ist. Die Hüte rein streichen, bey den Hutmachern, alles Wasser und überflüssige Farbe aus den gefärbten Hüten heraus streichen. Reiner Weitzen, reines Getreide, welches mit keinen fremden Körpern vermischt ist. Ingleichen in verschiedenen besondern Fällen. Die reine Mathematik, Mathesis pura, welche die Größen nur überhaupt betrachtet, ohne Anwendung auf wirkliche Körper, zum Unterschiede von der angewandten. Die Straße rein halten, frey von allen verdächtigen Personen. So auch, sein Haus rein halten. Es ist hier nicht rein, es gibt hier verdächtige Personen oder Sachen. Eine reine Fährte, bey den Jägern, eine unverletzte. Ein reines Jagen, eben daselbst, wenn lauter Wildbret von einerley Gattung gejaget wird. Einen Hund rein arbeiten, eben daselbst, auf einerley Wildbret. Eine Hündinn rein belegen, eben daselbst, sie von einem Hunde gleicher Art befruchten lassen. Und so in andern Fällen mehr.

4. Im weitesten Verstande, von allen Gegenständen frey, leer; eine größten Theils veraltete Bedeutung, in welcher noch das Nebenwort zuweilen vorkommt. Rein ausgehen, leer, d.i. nichts bekommen. Etwas häufiger mit Bezeichnung der abwesenden Sache. Rein von Sünden, von Fehlern; wo es aber vielmehr zur vorigen zweyten Bedeutung zu gehören scheinet. Eine Figur davon ist der im gemeinen Leben, besonders Nieder-Deutschlandes, übliche Gebrauch des Nebenwortes rein, da es für völlig, gänzlich, ganz, gebraucht wird. Ganz Juda ist rein weggeführet, Jer. 13, 19. Rein aufessen, rein austrinken, alles rein wegtragen. Rein todt, völlig todt. Rein nichts, im Nieders. im geringsten nichts, gar nichts. Rein ab. Zuweilen auch im Beyworte. Reine Arbeit machen, alles aufarbeiten.

Anm. Bey dem Ulphilas mit dem Hauchlaute hrains, bey dem Kero hrein, bey dem Willeram rein, im Nieders. rein, reen, im Schwed. ren, im Isländ. hrein, im Angel. rein. Wachter leitet es von rinnen her, und siehet es als eine von dem hellen, rinnenden Wasser entlehnte Figur an, welche freylich sehr hart und ungewöhnlich ist. Analogischer nimmt man das veraltete Zeitwort reinen, wovon wir noch das Intensivum reinigen haben, als das Stammwort an, welches unter andern auch scheuern bedeutete, und mit dem Griech. ῥινειν, ῥινιζειν, polieren, einerley ist, daher auch die Bedeutung des glänzend, poliert, welche auch im Schwedischen ehedem sehr gangbar war, als die eigentlichste angesehen werden muß. Auf ähnliche Art gebrauchen die Niedersachsen schier, Schwed. skir, Angels. scir, für rein, welches zu scheuern gehöret. Mit einem andern Endlaute sagen die Niederdeutschen für rein auch reggen und reken, welches gleichfalls von regen und dem Nieders. raken, scheuern, fegen, abstammet. Im Arabischen ist rajaon gleichfalls reinigen. Wenn rein ehedem auch so viel als dünn, sein, bedeutete, welcher Gebrauch noch in einigen Mundarten üblich zu seyn scheinet, so gehöret es ohne Zweifel zu dem Oberdeutschen rahn, rahnig, und unserm ring in geringe, siehe dieselben.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1055-1057.
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