[320] Danzig, in Preußen, am westlichen Ufer der Weichsel. Diese verzüglich ehedem glänzende und berühmte Handelsstadt, in den mittlern Zeiten ein bedeutendes Mitglied des Hanseatischen Bundes, stand seit 1454 unter Pohlnischem Schutze, hatte dabei aber ihre eigne Gerichte und so große Privilegien, daß man sie wohl einen Freistaat nennen konnte. Die Theilung von Pohlen im Jahr 1772, welche Danzig gewaltsam von Westpreusen abriß, und nach welcher der König von Preußen, der auf den Hafen Anspruch machte, sich dafür die Danzigschen Zölle zueignete und verschiedene der dasigen Handlung nachtheilige Einrichtungen machte, war dieser Ort immer tiefer und tiefer gesunken. Man sah lange voraus, daß diese mitten im Preußischen gelegene Stadt sich schwerlich als selbstständig werde erhalten können; auch trug schon 1788 der größte Theil der Bürgerschaft und Kaufleute darauf an, sich dem Könige zu unterwerfen, welchen Vorsatz jedoch der Magistrat, welcher keine Lust hatte, sein bisheriges überaus hohes Ansehen aufzuopfern, in der Geburt zu ersticken wuste. Der Einmarsch der Preußischen Truppen in Pohlen, im Jahr 1793 und die Besetzung der Stadt Thorn, noch mehr aber, wie man versichert, Briefe von verschiedenen Orten, vorzüglich aus Warschau bereiteten endlich den Magistrat und die Einwohner von Danzig auf die bald nachher erfolgte Katastrophe vor, und es wurden, so gut es anging, in der größten Eil die nöthigsten Vertheidigungsanstalten getroffen. Ehe man sichs versah, machte der Preußische Resident in Danzig dem Magistrat bekannt, daß Sr Preußische Majestät aus den wichtigsten Ursachen sich genöthigt sehe, die Stadt Danzig in Depot zu erklären, und die zu derselben gehörigen stark befestigten Außenwerke besetzen zu lassen. Alles gerieth in Gährung; den 8. März wimmelte bereits alles vor den Danziger Thoren von Preußischen Truppen, [320] welche der General-Lieutenant von Raumer commandirte. Dieser schickte, nachdem er die Stadt vergebens aufgefordert, dem Magistrat eine Declaration zu, worin die Ursachen angegeben wurden, die den König veranlaßten, sich Danzigs zu versichern (Danzig wurde als der Sitz einer im Finstern schleichenden Secte politischer Schwindelköpfe und jedem Fürsten höchst schädlicher Unruhstifter aufgeführt), auf welche endlich dem Magistrat und der Bürgerschaft einige Tage Bedenkzeit zugestanden wurden. Nach mannichfaltigen Debatten, und da man sich auswärts keiner Hülfe getrösten konnte (England und Holland schwieg, Frankreich hatte mit sich selbst zu thun, Pohlen war gezwungen sich leidend zu verhalten, und Rußland, diese mächtige Stütze Danzigs in allen Nöthen, lehnte alle Unterstützung ab), gewann endlich das Interesse der Bürgerschaft die Oberhand über das Interesse des Magistrats, und es wurde beschlossen, die Stadt weder in Depot zu lassen noch die äußern Festungswerke abzutreten, sondern sich lieber ganz der Herrschaft des Königs von Preußen, gegen Zusicherung ihrer Hauptprivilegien, zu unterwerfen. Der König nahm das Anerbieten der Stadt, ihn für ihren Oberherrn zu erklären, an, lehnte es jedoch als seiner unwürdig ab, mit derselben über ihre Privilegien in Unterhandlungen zu treten; dagegen er Danzig zu der blühendsten Stadt in allen seinen Staaten zu machen versprach. Den 28. März wurden den Preußen die äußern Thore geöffnet. Noch vor dem völlig gefaßten Entschluß der Bürgerschaft und des Magistrats, sich dem Könige zu ergeben, war es unter dem gemeinen Volke zu einem förmlichen Aufruhr gekommen, welcher nach der Deputation, die dem General Raumer diesen Entschluß erklärte, mit doppelter Heftigkeit ausbrach Sie nannten den Magistrat und die Deputirten der Bürgerschaft Stadtverräther, forderten Waffen, und schwuren, sich eher unter Schutthaufen begraben zu lassen, als zuzugeben, daß eine so feste Stadt sich ohne Vertheidigung ergebe. Die Anstalten, diese Unruhen des Pöbels zu unterdrücken, waren nicht die besten, und nach der Besitznehmung der äußern Thore durch die Preußen, drang ein Haufen Mißvergnügter, unter denen sich vorzüglich Stadtsoldaten auszeichneten, auf die Preußen und gab Feuer auf sie, welches diese natürlich ebenfalls erhitzen [321] mußte, und ohne den vortrefflichen Raumer, ohne Zweifel von nachtheiligern Folgen gewesen sein würde, als es wirklich der Fall gewesen. Durch zweckmäßigere Verfügungen wurde allmählig die Ruhe innerhalb Danzigs Mauern wieder hergestellt, und die Preußen zogen den 4. April ruhig in die innere Stadt ein. – Die Volksmenge von Danzig beträgt 48,000 Menschen.